: Marktmeister Wolfgang Ahrens freigesprochen
■ Gericht sieht „sehr enge Beziehungen“ zwischen dem Marktmeister und Schaustellern, die bei ihm ihre Geschäfte beantragen mussten, aber keine Bestechlichkeit
„Herr Ahrens muss in vollem Umfang rehabilitiert werden.“ Das erklärte gestern der Verteidiger Dr. K. Hammann in seinem Plädoyer vor dem Bremer Amtsgericht. Dieses sprach nach kurzer Beratung den Marktmeister dann in vollem Umfang frei von den Vorwürfen der Bestechlichkeit und der Untreue. Nach Beendigung des Disziplinarverfahrens wird er in den öffentlichen Dienst zurückkehren, wenn auch vermutlich nicht auf seine alte Stelle.
„Ich habe meine Strafe vor zwei Jahren angetreten – unbefristet“, hatte Wolfgang Ahrens in seinem Schlusswort als Angeklagter erklärt. 18 Jahre hatte er gern und erfolgreich gearbeitet. Dann stand die Kripo plötzlich in seiner Wohnung und sein Name unter dem Stichwort „Bestechlichkeit“ in der Zeitung. Sein Ruf, so der frühere Marktmeister, sei seitdem dahin: „Den kriege ich nicht wieder.“
Er habe ein „sehr enges Verhältnis gehabt“ zu den Schaustellern. „Enger als es üblich ist zwischen Beamten und ihrem Klientel“, erklärte der Richter den Hintergrund der Verdächtigungen. „Zufallsfunde“ im Zusammenhang der Ermittlungen gegen den erfolgreichen Schausteller Renoldi, der sich immer seines guten Verhältnisses zu Ahrens gerühmt hatte, waren von der Kripo zum Anlass genommen worden, alten anonymen Hinweisen auf die Bestechlichkeit des Marktmeisters konkret nachzugehen. Trotz des großen Ermittlungs-Aufwandes der Kripo kam kein großer Bestechungs-Sumpf ans Tageslicht.
Bis heute ist für die Staatsanwaltschaft unaufgeklärt, woher Ahrens die ca. 140.000 Mark hatte, die in den 90er Jahren in kleineren Summen bar auf sein Konto eingezahlt wurden – zusätzlich zu seinen Dienstbezügen. Auch gab es offenbar teure Urlaubsreisen, denen keine Konto-Bewegungen entsprachen. Aber da die Herkunft der Gelder nicht nachweisbar war, wurden die Ermittlungsergebnisse der Kripo nicht Gegenstand der Anklage.
Die Anklage reduzierte sich schließlich auf Champagnerflaschen und auf Reisegutscheine. Und auf Ahrens' Rolle in der Firma „Veranstaltungsgesellschaft Bremer Schausteller“ (VBS) GmbH. Er war einer von 104 Gesellschaftern dieser Firma und entschied gleichzeitig als Beamter, wie viel diese Firma für ihr Sommerfest auf der Bürgerweide zahlen musste. Ein Interessenkonflikt, in den ein Beamter sich niemals begeben darf, hatte Stadtamtsleiter Hans-Jörg Wilkens vor Gericht als Zeuge ausgesagt. Aber Ahrens sieht dieses Problem bis heute nicht und kann sich darauf berufen, dass sein damaliger Dienstherr, Innensenator Ralf Borttscheller (CDU), auch kein Problem darin sah.
Da er aber keinen nachweislichen Vorteil von dieser Doppelrolle hatte, liegt in seiner Gesellschafterstellung keine „Untreue“ im Sinne des Strafgesetzbuches, stellte das Gericht fest. Dass die Schausteller dem Marktmeister zum Geburtstag oder zur Hochzeit Reisegutscheine im Werte von einigen tausend Mark schenken wollten, bewertete das Gericht als „sozialadäquat“ im Rahmen der besonders engen Beziehungen, die sich in den 18 Jahren zwischen dem Marktmeister und seinem Klientel entwickelt hätten.
Ahrens zeigte, dass er sich der Abhängigkeitsverhältnisse in dieser Enge sehr wohl bewusst war. Der Betreiber des Bayernzeltes, der es normal fand, dem Marktmeister zwölf Champagerflaschen zum Weihnachten zu schenken, sei irgendwann nicht mehr zum Freimarkt zugelassen worden und das habe „mehrere hunderttausend Mark“ Einbußen bedeutet. Für Ahrens ein möglicher Nährboden für „Rachegelüste“ – es gab immer wieder Mutmaßungen, der frühere Bayernzelt-Betreiber sei derjenige gewesen, der die anonymen Vorwürfe gegen Ahrens lanciert hatte. Im Falle des Bayernzelt-Betreibers war die Großzügigkeit gegenüber dem Marktmeister offensichtlich ohne Effekt geblieben. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen