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Aquarell-Glücksrad

■ Die Aquarelle des israelischen Malers und Grafikers David Tzur sind ebenso freundlich wie sein Wesen

David Tzur hat nicht einfach eine Ausstellung. Er lebt seine Ausstellung. Und er feiert sie. Gleich am Eingang sitzt er mit seiner Frau und begrüßt seine Gäste. Normalerweise ist hier der „Treffpunkt Kirche“ – zurzeit ist es eine Mischung aus Tzurs Wohnzimmer und seinem Atelier. Der israelische Künstler arbeitet unentwegt, auch wenn er die Besucher auf das Liebenswürdigste unterhält.

Ganz beiläufig bekommen die vorgezeichneten Tierkreiszeichen Farbtupfer, während er erzählt, wie er zur Kunst kam: Als junge Kommunisten emigrierte das Paar Ende der Vierzigerjahre aus Ungarn nach Israel und schloss sich einem Kibbuz an – sie arbeitete in der Schlachterei, er als Tischler. In seiner Freizeit sammelte er in der Wüste Feuersteine. „Wenn ich sie aufschlage, finde ich eine neue Welt darin“. In die malt er dann Miniaturen, winzige, dürre Figuren wie Schatten in der Wüste. Irgendwann wurde sein Talent entdeckt und als gestandener Mann ging er an die Kunstschule in Tel Aviv. Sogar nach New York hat man ihn geschickt, „aber das Studentenleben dort war nichts für einen Familienvater von Mitte Vierzig.“

Ein klassischer Spätzünder, der auch mit dem Kunstbetrieb nie synchron ging: „Für die Moderne bin ich zu figurativ, für einen Klassiker zu modern.“ Erst kurz vor dem Rentenalter entdeckte der Grafiker Tzur die Farbe. Warum? „Vielleicht, weil ich mit dem Volleyball aufgehört habe.“ Mit Tempera und Aquarell hat er sich aber nicht nur Freunde gemacht: „Vorher haben immer alle gesagt: Schwarz-Weiß ist nicht zeitgemäß. Hinterher hieß es: Farbe, das bist nicht mehr Du.“

Stundenlang möchte man einfach nur zuhören, wenn der Mann erzählt, der sich selbst alt nennt, aber jungenhaften Charme versprüht und mit seinen kräftigen braunen Haaren so gar nicht wie ein siebenfacher Großvater aussehen will. Allein seine Sprache ist ein Vergnügen: Jiddischer Akzent mischt sich auf charmante Weise mit selbsterfundenen Worten und Anleihen aus dem Englischen. Aber wer nur lauscht, hat Wesentliches verpasst: Feinziselierte grafische Kopfgeburten, wie man sie hierzulande am ehesten von Horst Janssen kennt. Ein grüblerisches, wiederkehrendes Motiv ist der Seiltänzer: Jedes Jahr hat er ihn wieder gezeichnet. Beim ersten Mal ist im Hintergrund das KZ zu sehen, in dem Tzur gefangen war. Sprechen will er davon nicht. Wer es genau wissen will, kann in der Biographie von Christa Leber und Hans Georg Meyer nachlesen. Denen hat Tzur alles erzählt; gelesen hat er es hinterher nicht.

Ganz anders Tzurs satte Aquarelle in den freundlichen Farben, die man nur im Mittelmeeraum aufs Papier bringt: Ob eine völlig gegenständliche Landschaft, eine märchenhafte Szene oder ein Karnevalsbild aus wild zusammengestückelten Gestalten – alles ist in dieses Licht getaucht, das eine gewisse Leichtigkeit verleiht. „Wenn das Ölgemälde der König unter den Bildern ist, dann ist das Aquarell das Glücksrad“, sagt Tzur, „man macht hundert, und es gelingt nur eines.“ Erklären mag er seine Bilder nicht – nur soviel: „Ich versuche, nicht zu märchenliteraturisch zu sein – aber das geht nicht, das sitzt zu tief.“ Manchmal ist Tzur „eifersüchtig“ auf Kinder – wegen ihrer naiven Beobachtungsgabe. Gern hört er, dass seine Bilder an die von Jean Cocteau erinnern: „Alle sagen immmer: Chagall. Aber Cocteau ist mein Vater. Ich habe auch zwei Jahre Theater studiert.“ Und was nicht noch alles. Man kann gar nicht genug zuhören. Jan Kahlcke

Die Ausstellung ist noch bis zum 30. November im Treffpunkt Kirche, Klosterkirchenstraße 1, zu sehen (Mo-Do 10.30-13 und 15-17.30, Fr 10.30-13, Sa 11-13 und 15-17, So 11-12 und 17-20 Uhr)

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