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Der bedächtige Extremist

Ultraman Ulli Winkelmann startet am Wochenende auf Hawaii zu seinem zehnten Doppeltriathlon: Das ist Weltbestleistung. Daheim lehrt er Antirassismus und hält Vierjährige zu Mini-Triathlons an

von BERND MÜLLENDER

Warum nur? Wenn Menschen Aberstunden am Stück athletisch unterwegs sind, sind auch die Kopfschüttler ausdauernd. Warum tut das jemand? Bzw.: sich an? Gebetsmühlenhaft fallen dann Begriffe wie Endorphine, Grenzerfahrungen, Thrill, Dauerrausch. Ulli Winkelmann sagt: „Es ist dieses Glücksgefühl im Ziel. Da bist du wieder Baby.“

An diesem Wochenende startet der 43-jährige Sportlehrer und Schulsozialpädagoge aus Sprockhövel bei Wuppertal wieder bei der Ultraman-WM auf Hawaii: Das ist, auf drei Tage verteilt mit nächtlichen Pausen, etwa ein Doppeltriathlon (10 km Schwimmen, 450 km Rad, 85 km Laufen). Wenn Winkelmann ins Ziel kommt, wird er der Erste sein, der zehn solcher Ultras absolviert hat: Weltbestleistung. Winkelmann, einer der ausdauerndsten Sportler der Welt.

Warum nur? Zunächst gilt es, die eigene Langstrecke zu relativieren. „So was wie ein Zehnfach-Triathlon reizt mich nicht. Das ist ziemlicher Unsinn, viel zu viel und kein Schlaf zwischendurch.“ Was das für einen Kick geben soll, fragt er, dieses Immer-mehr, Immer-weiter? „Es gab ja sogar schon einen 20fach-Triathlon: Schierer Quatsch.“ Auch 150 km am Stück seien Schwachsinn. „Sportmedizinisch sind schon 85 Kilometer Laufen auf Asphalt an der Grenze.“

Winkelmann ist ein Extremist, der die Extreme mit Bedacht dosiert. Und den quasi kurzen Ultraman, bei dem er 1998 Sechster war mit knapp 27 Stunden Gesamtzeit, „als Genuss“ erlebt. „Andere vergessen dabei alles um sich herum, sehen keine Wasserfälle mehr, nichts. Erleben nicht die Power, die 17 Klimazonen auf Big Island, den schnellen Wechsel von Lava-Einöde und dem totalen Grün.“ Und er schwärmt von der „traumhaften Schwimmstrecke“: „Kein Jahr, wo uns nicht Wale begleitet haben, und jedes Mal bist du mitten in ’ner Horde Delphine.“ Oder 1992, „wie da plötzlich am Start dieser süße Riffhai auftauchte“.

Der drahtige 64-Kilo-Mann mit den langen blonden Haaren, die samt ergrauter Strähnen zum dicken Zopf gebändigt sind, hatte 1991 angefangen, nach einer Wette beim Bier. Bis dahin war mal ein Marathon das Höchste. „Wenn es weh tut, ist das nicht mehr mein Ding. So wie ich meinen Sport betreibe, so unterrichte ich auch Sport: als Spaß.“ Seine Gleichung: „Spaß ist Freude mit Ansporn und Anstrengung.“ Da guckt er eindringlich ernst. „Das verstehbar zu machen ist mir besonders wichtig.“ Und auch das Problem: „Ja, dieses ausdauernde Wa-rum.“

Er überlegt eine Weile, bis die Kellnerin seinen zweiten doppelten Espresso gebracht hat. Man könne es nicht allen gleich erklären. „In Sportkategorien“ sei es am leichtesten: „Triathleten gelten ja als Leute, die nichts richtig können. Das gilt auch für mich.“ Und in Alltagskategorien: „Du kannst essen, was du willst. Fantastisch ist das. Wer mehr isst als ich, der lügt.“ Bis zu 9.000 Kilokalorien sind es pro Wettkampftag. Und heute zum zweiten Espresso noch ein großes Stück Kuchen. „Ich will ja nicht unterzuckern.“

Es gibt private Erkenntnisse: Immer sei beim Wettkampf „der Schädel gut durchgelüftet“. Mit Folgen: „Ich hab beim Laufen wirklich schon Lösungen für manche Probleme gefunden, etwa wie ich mit einem schwierigen Schüler zu Hause umgehe“ (siehe Kasten).

Und es gibt offenbar prickelnde ästhetische Gründe. Die erläutert Conny Dauben (25), Winkelmanns Trainingspartnerin im Tri-Team Sprockhövel, die ihn zuletzt in Hawaii coachte und jetzt erstmals selbst an den Start geht: „Du kannst ausdauernd auf tolle Körper mit geilen Ärschen gucken, auf Ultra-Distanz hat man mehr Zeit dazu als beim Einfachtriathlon.“ Winkelmann stimmt lachend zu: „Viele schöne, attraktive Menschen, ja, auch ein Aspekt.“ Ob er eine Rubens-Frau anmachend finden könnte? Da zögert er. Dauben, von Beruf Bewegungstherapeutin, will „im Ziel ankommen, gesund“ und freut sich auf die vierte Disziplin, wo sie besser sein will „als so viele Männer“, die sie 1999 beobachtete: „Die kommen die Treppenstufen zum Siegerpodest schwerer rauf als die Frauen.“ Ulli bestreitet gleich: „Die drei Stufen runter sind viel schwerer als rauf. Warte ab.“

Es wird die letzte Original-Ultraman-WM auf Hawaii sein. Demnächst soll der Wettkampf dort auf kleinerer Fläche konzentriert werden: fernseh- und sponsorenfreundlicher, um „das Ganze businessmäßig mehr aufzumotzen“. Was Winkelmann „unheimlich schade“ findet, weil der Hawaii-Ultra „der schönste Triathlon der Welt“ sei, „ein großes Familienfest auch mit den vielen lieben Menschen vor Ort“. Mit idealen Sightseeing-Kategorien übrigens: „Einmal um die ganze Insel, nie wirst du sie so schön und intensiv erleben können wie bei solch einem Wettkampf.“

Fast hätten wir vergessen, über die Betreuung zu reden. „Sehr nervenaufreibend“, sagt Winkelmann, sei so ein Ultra vor allem für die Helfer im Begleitfahrzeug. Voriges Jahr „mussten meine Leute allein am Radtag 110-mal aus dem Auto. Und nach drei Tagen waren die groggyer als ich.“ Solidarische Erschöpfung. Noch ein Familienaspekt.

Und wer betreut ihn jetzt ohne Conny? „Na, meine Lebensgefährtin Ysabel, eine Hawaiianerin.“ Und dann erzählt Ulli Winkelmann noch von seiner Ultra-Fernbeziehung. Seit Jahren fliegt er alle Schulferien nach Hawaii; zwischendurch kommt sie her, wo man dann mit Kleindistanz auf Kleinfamilie mache. Etwa gemeinsam den Ironman in Roth schwimmradellaufen.

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