: Dementis à gogo
Jetzt ist es amtlich: Michael Naumann geht und hinterlässt seinem Nachfolger Julian Nida-Rümelin – ein Ressort
Dementi, das ist natürlich das große Stichwort der Ära Naumann. Mutmaßungen wie die Zahl seiner Vorstöße sei nur von der Zahl seiner Dementis übertroffen worde, oder der Scherz von der Maßeinheit „ein Naumann“, welche die kürzeste Zeit zwischen einer Ankündigung und ihrem Dementi benennt, wurden vorgestern dahingehend ergänzt, dass das Dementi schon vor der Ankündigung kam. Weshalb Gerhard Schröder auf der gestrigen Pressekonferenz im Bundeskanzleramt auch spöttisch sagen konnte, die anwesenden Journalisten hätten den Grund der Pressekonferenz ja schon ihren Zeitungen entnommen.
In der Tat. Naumann geht, und Nida-Rümelin kommt. Den Philosophieprofessor aus München, gelernten SPDler und Noch-Kulturrefenten der bayerischen Landeshauptstadt wollte der Kanzler nun vorstellen. Und bei Michael Naumann wollte er sich für dessen Engagement als Kulturstaatsminister bedanken und die Mutmaßung, er sei über dessen Schritt nach Hamburg zur Zeit nicht längst informiert gewesen, dementieren.
Mit der Verwirrung und Aufregung, die er um seinen Abgang gestiftet hat, ist sich Michael Naumann also treu gebleiben. Immer ging es hin und her. Erst seine Polemik gegen das Holocaust-Mahnmal, das er dann mit seinem Engagement und dem Übermaß von Ideen gleich wieder zum Scheitern zu bringen drohte. Oder der Angriff auf den Föderalismus, der dann nur eine Kritik des Begriffs sein wollte. Oder seine Ablehnung der Bundesverantwortung für eine der Berliner Opern, das sei ja dann ein Fall von „Staats-Wagnerianismus“, und nun rettet er Daniel Barenboims Staatsoper mit dreineinhalb Millionen. So mal als kleines Abschiedsgeschenk.
Auch das große, dicke, 400 Millionen Mark schwere Weihnachtsgeschenk, das er zusammen mit dem Bundeskanzler eingepackt hat, nämlich den Ankauf der Kunstsammlung Berggruen durch die Bundesregierung, kam hinterrücks. Das muss bei so einem Deal vielleicht sein. Aber der Kritik, sein Stil sei gutsherrlich, nimmt das auch nicht den Wind aus den Segeln. Und trotzdem. Nicht zuletzt mit diesem überraschungsreichen Stil hat er dem vom Bundeskanzler neu geschaffenen Kabinettsposten eines Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien eine „Faszination gegeben, die weit über den administrativen Rahmen geht“, wie sein Nachfolger Julian Nida-Rümelin sagte.
Das geschah mal strahlend, gut gelaunt und mit enormem Charme, mal miesepetrig und unmotiviert aggressiv. Die beobachtende Öffentlichkeit und die Medien waren da keineswegs in einem nur positiven Sinne fasziniert. Und trotzdem. Michael Naumann hat den kulturellen Angelegenheiten, von der Frage der Beutekunst bis zum recht drögen Thema der Buchpreisbindung eine Aufmerksamkeit verschafft, die hierzulande neu ist, und er hat sie ihr nicht nur in der geneigten Öffentlichkeit, sondern im politischen Raum verschafft.
Okay, er war kein Jack Lang, er hat die Angelegenheiten der Medien sehr viel schlechter vertreten als die der Kultur. Und dabei ist es in Brüssel hauptsächlich Medienpolitik, die unter dem Stichwort Kulturpolitik verhandelt wird. Und für die interkulturellen Fragen in Brüssel war der Posten ja vor allem angelegt. Aber was die Kulturpolitik angeht, muss man auf den Nachfolger hoffen. Und trotzdem. Michael Naumann hat Julian Nida-Rümelin da, wo nichts war, doch ein Ressort hinterlassen. Waren Michael Naumanns zwei Jahre als Kulturstaatsminister ein Erfolg? Ganz so ernüchternd, wie manche Kommentatoren es sahen, waren sie jedenfalls nicht. Und dem folgt kein Dementi.
BRIGITTE WERNEBURG
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