: Liste der Angst
Schwedens Verfassungsschutz warnt Antirassisten, die in einem Register von Neonazis verzeichnet sind
STOCKHOLM taz ■ Über tausend Personen haben in Schweden in dieser Woche einen Brief der staatlichen Sicherheitspolizei Säpo bekommen, in dem der Verfassungsschutz die Empfänger darüber informiert, dass sie nach seinen Erkenntnissen auf einer Art „Todesliste“ von Neonazis verzeichnet sind. Gleichzeitig zitiert Säpo im einzelnen, welche Angaben über den betreffenden Antirassisten in den Naziregistern gesammelt worden sind.
So konnte eine Journalistin aus dem Warnbrief erfahren, dass eine Neonazigruppe mit Postfachadresse in Kalmar von ihr die persönliche Registernummer herausbekommen hat, mit der man an alle öffentliche Daten der Frau gelangen kann. Zudem hätten die Neonazis Kopien ihres Passfotos, ihre Adresse, die des Arbeitgebers – „rotes, antirassistisches Medium“ – und den Arbeitsbereich – „arbeitete wiederholt zu Skinheadthemen“. Weitere Rubriken beziehen sich auf sexuelle Neigungen, ethnische Herkunft und antirassistische Aktivitäten.
Im Brief teilt der Verfassungsschutz mit, dass man die Angaben im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen mehrere Personen aus der Neonaziszene gesammelt habe. Da diese Angaben dadurch nun auch gerichtsbekannt würden, habe man beschlossen, die im Register vermerkten Personen persönlich zu informieren.
Auf Anfrage verweigert der Verfassungsschutz ob dieses „Kundendienstes“ jedoch jede weitere Erklärung ausser der: „Es besteht kein konkreter Grund zur Unruhe.“ Generalstaatsanwalt Christer von Kwast, der die Voruntersuchung leitet, will auch nicht mehr berichten, als dass man „eine eigentliche Planung von Gewaltverbrechen gegen die registrierten Personen noch nicht gefunden“ habe.
Offenbar dient die Säpo-Information über die Registrierung in der Neonazikartei der allgemeinen vorbeugenden Warnung an die Betroffenen zur Vorsicht. Im Zusammenhang mit der Ermordung von Antirassisten im vergangenen Jahr war man auf ähnliche, vorangegangene Sammlungsaktivitäten von Informationen, Daten und Fotos durch Neonnazis gestoßen. Damals waren Polizei und Säpo dafür kritisiert worden, die in den Listen genannten Personen nicht gewarnt oder ihnen keinen verstärkten Schutz angeboten zu haben. Zum Teil sind die Antirassisten-Register, die Neonazigruppen unter Namen wie „Redwatch“ und „Anti-AFA“ führen, auch auf braunen Internetseiten ausgelegt worden. Die sind nur mit Kennwort zugänglich. REINHARD WOLFF
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