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Schweigen, wie Gold gekocht

■ Paul Celan: Szenische Lesung in den Kammerspielen

Die Last des Namens – die Last des Definiertseins als dieser oder jener – wenige haben sie so stark thematisiert wie Paul Celan. Er verkehrte nicht nur seinen Namen buchstäblich ins Gegenteil, sondern begann auch sehr spät, sich mit jüdischer Identität auseinanderzusetzen und nach demjenigen zu suchen, „der uns wieder knetet aus Erde und Lehm“, obwohl er doch in „Psalm“ in dem Gedichtband Die Niemandsrose die Wiederbelebungsfähigkeiten eben dieses „Kneters“ geleugnet hatte. „Niemand bespricht unsern Staub“, heißt es dort, den Holocaust reflektierend.

Der Gletscher spricht nicht zum Wanderer in Celans 1959 entstandener Erzählung „Gespräch im Gebirg“, aus der – unter anderem – in einer Szenischen Celan-Lesung in den Kammerspielen rezitiert werden soll. Wortlosigkeit herrscht in Celans einziger Erzählung zwischen der Natur und den zwei einander begegnenden Juden. Von verschleierter Wahrnehmung erzählt der eine dem anderen – und von der Tatsache, dass Außenwelt wahrgenommen, gedeutet und anders wieder zu Worten zusammengesetzt wird, bis Kommunikation unmöglich ist. Von Fäden ist die Rede, die kokongleich die auf die Netzhaut projizierten Bilder umhüllen, um sie vor dem Zugriff der anderen zu bewahren. „Sie liebten mich nicht, die anderen“, bekennt der eine, der sich in einer Sprache bewegt, die nicht für ihn gedacht ist.

Von der Hoffnung auf tatsächliche Kommunikation war Celan, der 1970 im Pariser Exil Selbstmord beging, weit entfernt – und doch handeln die für die Lesung in den Kammerspielen ausgewählten Texte, die Bernt Hahn und Peter Lieck rezitieren werden, von realen und dichterischen Begegnungen Celans – und von Nicht-Begegnungen wie jener mit Theodor W. Adorno, die Auslöser der Erzählung „Gespräch im Gebirg“ war. Und vielleicht bleibt von einem solchen Abend mehr als „Schweigen, wie Gold gekocht, in verkohlten Händen“, wie Celan es im Gedicht „Chymisch“ beschrieb.

Petra Schellen

 morgen, 20.30 Uhr, Kam-merspiele

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