standbild: Knastmaschine
Gefängnisbilder
(So., 21.15 Uhr, 3sat)
Manchmal ist die Kamera wie eine Waffe. Die Höfe im Gefängnis von Cocharan (USA) sind wie Tortenstücke geschnitten, und an deren Spitzen wachen Kameras und bewaffnete Wärter. Wenn sich Gefangene schlagen, werfen sich unbeteiligte Häftlinge auf den Boden, denn sie wissen: Es wird geschossen.
Harun Farocki zeigt diese Bilder, und wir werden Zeugen, wie diese Maschine „Gefängnis“ funktioniert, tötet. Farockis Material, das durch den Ort der Aufnahmen und die Art des Blickes besticht: Gefängnisse, Asylhäuser, Zwangsanstalten. Szenen aus Spielfilmen, aus Dokumentarfilmen und Propagandastreifen zeigen immer wieder den Häftling aus Ausgesonderten, als potenziell Gewalttätigen, als möglicherweise psychisch Gestörten. „Normale Bürger“ sehen mit einer Mischung aus Sensationsgier, Mitleid und Angst in die Zellen. „Im Gefängnis wird den Gefangenen fast alles genommen“, kommentiert Farocki. Was die Kameras zeigen verfestigt noch einmal das Bild, das sich die Gesellschaft von den Gefangenen macht. Dass der Gefangene nichts hat, stimmt allerdings nur auf der materiellen Ebene. Er hat seine Träume, er hat seine Erinnerungen, Erfahrungen. Er ist der, der Regeln gebrochen hat, und der Wärter ist der Voyeur. Auch dafür gibt es viele Bilder in Farockis Film. Wir alle werden zu Voyeuren, wenn die Kamera durch das Guckloch in der Tür in die Zelle sieht. Manchmal spielen Gefangene mit diesem „Gesehenwerden“, inszenieren sich, heizen die Fantasie ihrer Kontrolleure auf. Dafür braucht es allerdings die Möglichkeit, heimlich beobachtet zu werden.
Amerikanische Gefängnisse kennen dies nicht. Die Zellen sind jederzeit von außen einsehbar. Gefangene, die sich nicht anschauen lassen wollen und die Gitter mit Matrazen verdecken, werden mit Reizgas besprüht, ihre Zelle wird von Wärtern gestürmt. Kein Recht auf das eigene Bild, nirgends. Manchmal ist der Gefangene auch Subjekt: In den Spielfilmen, in denen es um die trickreiche Vorbereitung eines Ausbruchs geht. Ausschnitte aus solchen Filmen sind kleine Erholungen in Farockis Film. Der größte Teil des montierten Filmmaterials jedoch erzählt von der Zurichtung von Menschen zu Gefangenen – ein nicht einfacher, wichtiger Film.
ECKART LOTTMANN
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