: Balsam für die Eisenbahner-Seelen
Die Rede von Mehdorn auf dem Gewerkschaftstag bringt zwar wenig Neues – aber ein paar Streicheleinheiten
MAGDEBURG taz ■ „Personalabbau ist kein Unternehmensziel.“ Kaum hat Bahn-Chef Hartmut Mehdorn diesen Satz gesagt, fällt das Schild mit der Aufschrift „offensiv“ krachend auf die Bühne. Vom Motto des 16. ordentlichen Gewerkschaftstags der Transnet GdED verbleiben nur die Schlagworte „zukunftsorientiert“ und „europäisch“.
Beunruhigt von Meldungen, nach denen die Unternehmensberater von McKinsey der Bahn bis 2015 eine Halbierung der Stellen auf 120.000 empfehlen, waren die Eisenbahner nach Magdeburg gereist. „Unsinn“ nennt Mehdorn solche Zahlen zwar in seiner Rede, aber das Unternehmen müsse modernisiert werden – und Modernisierung hat nach Meinung des Bahn-Chefs auch „etwas mit Arbeitsplatzabbau zu tun“.
Trotz solcher Passagen ist die Rede Mehdorns alles andere als offensiv: „Er hat das gesagt, was die Leute hier hören wollen“, kommentiert ein Delegierter aus Karlsruhe den Auftritt seines Chefs. Kostprobe: „Neue Bahner sind gut beraten, auf gewachsenes Bahn-Know-how zu vertrauen“, meint Mehdorn. Und weiter: „Nicht alles, was früher war, war schlecht.“ Balsam für die geschundenen Eisenbahner-Seelen. „Hat lange gedauert, bis Mehdorn gemerkt hat, was für ein Wissen ihm im Unternehmen zur Verfügung steht“, sagt ein Delegierter: „Warum aber dann viel Geld für Unternehmensberatungen ausgeben?“
„Den nimmt keiner mehr ernst“, meint ein Gewerkschafter aus Berlin, schon zu oft habe Mehdorn die Richtung gewechselt. „Ein Sammelsurium von nicht ausgegorenen Überlegungen“, nennt das Transnet-Chef Norbert Hansen und fordert von Mehdorn endlich ein Konzept für eine zukunftsfähige Bahn.
Die Reaktionen der Gewerkschafter bleiben bei der Mehdorn-Rede zurückhaltend. Ein paar Pfiffe, ein paar Buhrufe: Pflichtübung. Mehr nicht. An der Basis sei die Stimmung bei weitem nicht so gelassen, berichtet ein Delegierter aus Nordrhein-Westfalen. Wenn etwa im Rangierdienst plötzlich jeder Dritte weg sei, hätten die Leute einfach Angst um ihren Arbeitsplatz. Von Resignation könne aber keine Rede sein, Entschlossenheit sei das richtige Wort. „Trotz“, meint ein anderer: Es mache sich ein „Jetzt erst recht“-Gefühl breit. Die Basis für einen möglichen Arbeitskampf zu mobilisieren sei deshalb kein Problem.
Aber auch die Stimmung in Magdeburg sei schlechter als bei vergangenen Gewerkschaftstagen, sagt ein Delegierter aus Baden-Württemberg: „Früher war man stolz, wenn man bei der Eisenbahn war – heute hört man schon mal Fragen wie: ‚Was ist das denn für ein Verein?‘, wenn in der Zeitung wieder etwas über die Bahn steht.“
„So geht mir das nun dauernd“, sagt Mehdorn, nachdem er das heruntergefallene „offensiv“-Schild aufgehoben und an die Rückwand der Bühne gelehnt hat: „Ständig eine Überraschung hinter meinem Rücken.“ Noch so ein Satz, dem seine Mitarbeiter mit Sicherheit zustimmen.
THOMAS STROHM
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