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Vertrauen ist gut, Kontrolle besser

Grüne fordern mehr Wettbewerb auch bei der Bahn: Der Zugang zum Schienennetz soll künftig von einer staatlichen Regulierungsbehörde kontrolliert werden – nicht mehr von der Bahn selbst. SPD ist nicht begeistert

von BERNHARD PÖTTER

Pünktlich zum Amtsantritt des neuen Bundesverkehrsministers Kurt Bodewig führt die Finanzkrise der Deutschen Bahn zu einer Auseinandersetzung in der rot-grünen Regierungskoalition. Gestern präsentierten die Grünen ihre Vorstellungen für eine Neuordnung des Streckennetzes, denn „die Finanzkrise der Deutschen Bahn ist vor allem eine Krise des Netzes“, erklärten der Parteivorsitzende Fritz Kuhn und der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion, Albert Schmidt. Nur mehr Geld, mehr Chancengleichheit und ein radikaler Umbau bei der Bewirtschaftung des 38.000-Kilometer-Netzes werde die Bahn aus ihrem Tief herausführen. Eine staatliche Regulierungsbehörde soll den Wettbewerb auf der Schiene sichern. Langfristig soll das Netz – wie bereits von der so genannten Pällmann-Expertenkommission des Verkehrsministeriums gefordert – aus dem DB-Konzern herausgelöst werden. Gegen diesen Vorschlag haben jedoch das Verkehrsministerium unter Exminister Reinhard Klimmt, die SPD-Fraktion und die Bahn bisher immer protestiert.

Die grünen Vorstellungen werden erst einmal Geld kosten, sollen aber langfristig den Bahn-Eigentümer Bund von Kosten entlasten. Denn neben den rund 9,5 Milliarden Mark, die laut rot-grüner Beschlusslage jährlich in die Schiene investiert werden, wollen die Grünen durchsetzen, dass die Bahn – wie im übrigen Europa – von der halben Mehrwehrtsteuer befreit wird. Das würde etwa 500 bis 700 Millionen Mark pro Jahr kosten, dafür aber die Bahntickets um neun Prozent billiger machen. Außerdem müsse die für 2003 geplante Lkw-Maut deutlich erhöht werden. Ökosteuer und Entfernungspauschale machten zwar schon die Straße im Vergleich zur Schiene teurer, doch „bei der Infrastruktur der Bahn ist Wettbewerb bisher gar nicht möglich“, monierte Schmidt, der auch im Aufsichtsrat der Bahn sitzt.

Ein Grundfehler der Bahnreform von 1994 sei es gewesen, die Hoheit über das Netz bei der Bahntochter DB Netz zu belassen. Der Konzern könne nicht „Schiedsrichter und Spieler zugleich“ sein, meinte Schmidt. Auch sei es problematisch, das Schienennetz in einer AG nur unter dem Diktat der Wirtschaftlichkeit zu sehen und still zu legen, wenn es nicht rentabel sei, und damit die Bilanz des Unternehmens zu belasten. Stattdessen müsse der Bund als Eigentümer der Bahn wieder die „Verantwortung für das Netz übernehmen“. Die vom Verkehrsministerium geplante Regulierungsbehörde sei zu langsam und „zahnlos“, sie müsse „auf Zuruf reagieren können“.

Die grünen Forderungen stoßen bei der SPD und der Bahn auf Widerstand. Hans-Georg Kusznir von der DB Netz erklärte, es gebe „nirgendwo in Europa so viel Wettbwerb auf der Schiene wie bei uns“. 150 Unternehmen betreiben nach seinen Angaben eigenen Bahnverkehr, „jeder kann und jeder darf fahren“. Andererseits klagen immer wieder Bahnbetreiber, die Bahn lasse Neubewerber nicht ins Geschäft kommen.

Diese Klagen der Spediteure kennt auch die stellvertrendende Sprecherin für Verkehrspolitik in der SPD-Fraktion, Karin Rehbock-Zureich. Dennoch liege in der Lösung von DB Netz aus dem Konzern nicht „das Heil für die Bahn“. England etwa, wo Netz und Betrieb getrennt sind, sei kein Vorbild: Die jüngsten Unfälle seien passiert, weil die privaten Netzbetreiber nicht genügend in Schienen und Signalanlagen investiert hätten. Rehbock-Zureich unterstützt wie die SPD-Fraktion schon früher die Planung im Verkehrsministerium, eine Regulierungsbehörde aus Eisenbahn-Bundesamt (EBA) und Kartellamt aufzubauen.

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