: chronik
Vergeblich gewarnt
Der Senat hatte 1995 noch gar nicht mit den Haushaltsberatungen begonnen, da sprach sich CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky schon für eine höhere Verschuldung aus – „im Interesse der Einheit der Stadt“. Grysczyk reagierte prompt: „Ich bin fassungslos, dass bereits am Anfang der Haushaltsdebatte an eine neue Verschuldung gedacht wird“.
1992 rief der Senat eine Landesentwicklungsgesellschaft ins Leben, „zur Unterstützung einer umfassenden Stadtentwicklungs-, Hauptstadt-, Wirtschafts-, Bau- und Wohnungspolitik“. Der Rechnungshof warnte schon damals: „Je privater, desto schwieriger die Kontrolle.“ Inzwischen hat sich die Gesellschaft längst als Fass ohne Boden erwiesen.
Als der Preußische Landtag nach dem Fall der Mauer für das Abgeordnetenhaus ausgebaut wurde, kalkulierte die Verwaltung zunächst Baukosten von 40 Millionen Mark. Als die Parlamentarier 1992 einzogen, waren 160 Millionen Mark in den Bau geflossen. „Sehr bedenkenswert“ urteilte der Rechnungshof.
Spendabel zeigte sich der Senat damals auch gegenüber dem Daimler-Benz-Konzern, als das Baugrundstück am Potsdamer Platz 1990 den Besitzer wechselte. Ein Wertgutachten wurde erst eingeholt, als der – wesentlich niedrigere – Kaufpreis mit dem Investor längst ausgehandelt war. Man habe lediglich den „Toleranzspielraum“ ausgeschöpft, behauptete der Senat. Der Kommentar des Rechnungshofs: „Nicht überzeugend.“
Hat der Rechnunshof ganz großes Pech, kann er nicht nur nichts mehr ändern, sondern auch gar nichts mehr prüfen. So war die Behörde 1994 gerade dabei, die Kosten für die gescheiterte Olympia-Bewerbung zu durchforsten, als plötzlich ruchbar wurde, dass ein Großteil der benötigten Akten nicht mehr existierte. Olympia-Manager Axel Nawrocki hatte sich einen Reißwolf zugelegt – und die brisanten Papiere kostengünstig vernichtet. Ein „außergewöhnlicher Vorgang“, so der Rechnungshof diplomatisch.
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