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Der unerhörte Pfennigfuchser

Der Präsident des Landesrechnungshofs, Horst Grysczyk, geht heute in Ruhestand. Schon vor neun Jahren warnte er den Senat vor dessen Schuldenpolitik. Bis heute ist seine Behörde, die den Politikern beim Geldausgeben auf die Finger schaut, unbeliebt

von RALPH BOLLMANN

Nichts tut der deutsche Steuerzahler lieber, als sich zu empören. Berichte über öffentliche Verschwendung zählen zu den populärsten Gerichten, die Journalisten hierzulande auftischen können. In die spontane Entrüstung mischt sich im Gaumen klammheimliche Freude: Wir haben es doch schon immer gewusst. Niemand trifft diesen Geschmacksnerv besser als der „Bund der Steuerzahler“. Hat ein Journalist gerade ein Skandälchen ausgegraben, das zum handfesten Skandal beim besten Willen nicht taugt, dann liefert der Verband die nötige Empörung frei Haus, brühwarm und zitierfertig. Dumm nur, wenn der Landesvorsitzende – wie zuletzt geschehen – wegen einer allzu üppigen Aufwandsentschädigung selbst ins Gerede kommt.

Beim Präsidenten des Landesrechnungshofs, der heute in den Ruhestand verabschiedet wird, haben solche Reflexe nie funktioniert. Sein Amt verpflichtete ihn dazu, den Versuchungen des Populismus zu widerstehen. Wenn Grysczyk zur Kritik ansetzte, dann hatte die Sache Hand und Fuß. Argumente statt Empörung: Für die Publicity war das nicht immer nützlich. Listete der Rechnungshof in seinem Jahresbericht hanebüchene Einzelfälle auf, war ihm die öffentliche Aufmerksamkeit gewiss. Grysczyks Appelle gegen eine verantwortungslose Schuldenpolitik, schon kurz nach seinem Amtsantritt 1991 vorgetragen, fanden zunächst weit weniger Gehör.

Bei jenen Politikern, die über Geld am liebsten gar nicht reden, machte sich Grysczyk damit so wenig beliebt wie die einstige Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing. Dass der Rechnungshof nicht gerade das Lieblingskind der Berliner Politik ist, lässt sich bei einem Ortsbesuch mit Händen greifen: Das Bürogebäude in der Charlottenburger Knesebeckstraße ist arg heruntergekommen, der Vermieter will sanieren, doch ein neues Domizil ist nicht in Sicht. Es ist, als wolle der Senat dem Rechnungshof die Folgen jenes Sparkurses, den die Behörde so vehement einfordert, am eigenen Leib demonstrieren.

Dass es für Grysczyk noch keinen Nachfolger gibt, ist hingegen nicht der Haushaltsnot geschuldet – sondern einem handfesten politischen Streit: Die CDU beanspruchte das Amt für sich, weil sie sich als bevorzugtes Ziel von Grysczyks Attacken sah. Die SPD legte sich quer, der Posten wurde erst einmal ausgeschrieben. Ein „abgeschlossenes Hochschulstudium“ wird vom neuen Amtsinhaber verlagt, „langjährige Führungserfahrung“, „Unabhängigkeit,“ „ein hohes Maß an Eigeninitiative“ sowie eine „an modernen Grundsätzen orientierte Mitarbeiterführung“.

Was nicht in der Ausschreibung steht: Auch ein hohes Maß an Frustrationstoleranz ist nötig – schließlich kann der Rechnungshof oft erst eingreifen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Auch wenn steter Tropfen dann doch den Stein höhlt: Dass Kostenbewusstsein in der Berliner Verwaltung immerhin ein Thema ist, hält sich der Rechnungshof zu einem guten Teil zugute. Auch wenn das zur Empörung wenig taugt.

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