Mediziner widersprechen Eltern

Die von der Familie beauftragten Gutachter stellten keine Gewalteinwirkung beim Tod des Jungen fest

SEBNITZ taz ■ Die Frage, ob Joseph Abdulla ertrank oder ertränkt wurde, ist weiter offen. Auch das zweite forensisch-toxikologische Gutachten, das Rechtsmediziner der Universität Gießen im Auftrag von Josephs Familie erstellten, vermochte nicht herauszufinden, wie der Sechsjährige am 13. Juni 1997 ins Wasser kam und dort starb. Nur: „Eine Gewalteinwirkung können wir nicht positiv feststellen“, sagte der Leiter des Rechtsmedizinischen Instituts, Prof. Günter Weiler, der taz. Josephs Eltern aber hatten genau dies behauptet, das Gutachten zum Kronzeugen ihrer Mordtheorie gemacht und seine Herausgabe an die Staatsanwaltschaft verzögert.

Doch der Bluterguss an Josephs linkem Ohr, von dem Josephs Mutter spricht, könne ebenso gut „dem Bereich der Totenflecke“ zugeordnet werden, so Weiler. „Ausschließen“ könne man, dass an Land „mit Springerstiefeln oder Schuhen auf das Kind eingetreten wurde“. Gleiches gelte für das Herumtrampeln auf Joseph unter Wasser. Einen „abnorm beweglichen Nacken“, den Renate Kantelberg-Abdulla als Indiz für ein Gewaltverbrechen wertet, sei ebenso wenig zu bestätigen wie Abdrücke von Elektroden: „Folter mit Strom erzeugt in der Regel keine Spuren.“

Allerdings fanden die Gießener Mediziner an Josephs Leiche Anhaltspunkte für eine Herzmuskelentzündung. Diese müsse zu Lebzeiten nicht aufgefallen sein, werde aber häufig bei der Untersuchung ertrunkener Kinder erkannt. Ein Grund, an der „Seriosität“ des ersten Gutachtens, 1997 in Dresden erstellt, zu zweifeln, sei dies nicht, so Weiler. Seine Empfehlung an die Staatsanwaltschaft, weiter zu ermitteln, sei nicht aufgrund neuer Obduktionsbefunde erfolgt, sondern allein „aufgrund der Zeugenaussagen, die uns vorgelegt wurden“. Josephs Eltern hatten das erste Gutachten angezweifelt, die Leiche daraufhin auf eigene Kosten exhumieren und ein zweites Mal obduzieren lassen.

Die Aussage, im Blut sei das Betäubungsmittel Ritalin gefunden worden, relativierte Weiler: „Wir haben Signale gefunden, die zu Ritalin passen.“ Möglich sei, dass diese Spuren während des Fäulnisprozesses des Bluts entstanden seien. „Verblüffend“ fand Weiler, „dass die Mutter uns explizit auf das Ritalin hingewiesen hat“. HEIKE HAARHOFF