„Mai, November, Dezember 3 D“ etc: Franz-Josef Wagner, die Popliteratur, der Boulevard und große Aktionen gegen lange Sätze
„Bild“ kämpft für Sie
Es ist noch nicht lange her, da gehörte es in manchem Berliner Hipster-Haushalt zum guten Ton, neben FAZ, taz oder SZ auch die Boulevardpostille BZ zum Frühstück zu lesen. Franz-Josef Wagner machte es mit Schlagzeilen wie „Hirsch tötet drei Berliner“ möglich – für solcherart Trash brauchte es nicht mal Geheimwissen. Ein Wagner aber macht noch keinen Sommer und schon gar keine Auflage – er darf inzwischen nur noch als „Chefkolumnist“ ran. Doch die Beziehung zwischen „Szene“ und Boulevard beruht durchaus auf Gegenseitigkeit: Auch Springers Bild sucht in Berlin eine neue Leserklientel. Sie veröffentlichte erst Passagen aus dem Pop- und Tagebuch-Roman „Mai 3 D“ und ließ nun ein Sequel folgen: „November 3D“, den „coolsten Berlin-Roman“ zur Zeit, täglich geliefert vom „Mai-3D“-Autor Till Müller-Klug.
Der schrieb nun einen Monat lang auf, wie Marc für Luzi Hausarbeiten anfertigte, Bodo und Luzi „Mittelmaß-Beischlaf“ erlebten und Bodo und sein Kumpel nach Räumen für ein „Motivationsstudio“ suchten. War es zuweilen lästig, sich für seine tägliche Daily-Soap jeden Tag die Bild-Zeitung zu kaufen, ein altes Problem von Fortsetzunsromanen, so beeindruckte die Lektüre vor allem durch das ideale Umfeld: Überlagerten sich doch plötzlich Schlagzeilen wie „Jennifer Ariston: Unfruchtbar durch zu viele Diäten“ mit den Erlebnissen von Müller-Klugs Helden, wusste man doch oft nicht mehr recht zu unterscheiden zwischen Jenny und Luzi, Alex und Bodo, Franziska, Sven und Marc – Popliteratur will eat it itself.
Mitunter verblassten die bunten, psychedelischen Farben auch und das Leben wurde wieder ein grauer Boulevard, wenn unterm coolen Berlin-Roman die Frage stand: „Weihnachtsfeier. Zahlt Ihr Chef auch was dazu?“ Da bezweifelte man Bodos Satz „Man ist doch kultig, die Leute wollen Szene“ doch ein wenig. Ob sie die wirklich wollen, die Leute, die Probleme mit ihren Chefs haben, mit ihrem Gewicht nicht klarkommen und genau wie Doris Schröder-Köpf auch nicht wissen, was sie überhaupt noch an Fleisch essen können?
Man weiß es nicht. Bild aber ist begeistert und kämpft – mit „Haduluaueibi“, „Lidumino“ oder „Wamaduheu“ gegen die langen Sätze. Und dieser große Bildungsroman bekommt dann vielleicht den Titel „Dezember 3D“ GERRIT BARTELS
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