: Kasse piep!
■ Supermarktoper im Monsum-Theater
Die neue Kassiererin im Supermarkt ist ja ganz niedlich. Ich stehe da mit meinem Liter Milch, sie zieht die Tüte über den Scanner und gibt das Wechselgeld zurück.
In Michael Haases Supermarktoper oper: minimal im Monsun-Theater sind die Angestellten des Supermarktes fleißige ArbeiterInnen: Jenny ist neu an der Kasse, der Sortierer Fred packt die Ware aus, und Filialleiterin Amanda erfüllt ihre „Mission“ mit Leidenschaft. Haases Text ist schlicht und darf nicht mit dem poetischen Anspruch an Opernlibrettos verglichen werden, denn es geht um etwas ganz Reales – Alltagsszenen aus dem Supermarkt: „Ich komme schon klar, doch manchmal kann die Kasse den Preis nicht lesen!“ – Auf die Idee, solche alltagspoetischen, ja slamtauglichen Sätze als Improvisaionsoper singen zu lassen, muß man erstmal kommen!
Jennifer Rödel, Linda Scott, Olaf Franz und das TonArt-Ensemble jedenfalls haben es hingebungsvoll gewagt. Unter der Leitung von Michael Haase träumen sie Lieschen Müllers Traum von der heilen Welt: Fred von einer Frau, der er „alles geben“ kann, für die es sich lohnt, „hier“ (im Supermarkt?) jeden Tag zu schuften. Jenny träumt im Gegenzug von seinen kräftigen Schultern und seinem vollen Haar.
Doch Supermarkt ist bekanntlich ein Kleines-Rädchen-Betrieb, und ein falsch ausgezeichneter Joghurtbecher kann da schnell den gesamten Laden aufhalten. Zuerst ist Jenny die Schuldige, dann Fred, dann wieder Jenny, weil sie Fred abgelenkt hat. Das junge Glück scheint fern, und sie singen: „Die Waren sind das einzig Wahre. Für einen Traum ist hier kein Raum.“
Gegen Habsucht und Gier wendet sich (in einem Moment der Klarheit) Marktleiterin Amanda. Das System sei schuld, diagnostiziert sie. Aber das hat man schon mal gehört, da hätte man sich präzisere Analysen gewünscht. Der Gesang improvisiert teilweise etwas bemüht zur Handlung. Zudem wird er oft vom Licht im Dunkeln stehen gelassen. Doch dafür spielt das TonArt-Ensemle abwechslungsreich und effektvoll nach den Vorlagen von Werbeprospekten mit Salaten, Gemüse und Klobürsten im Angebot.
So werde ich meinen Supermarkt wohl nie erleben. Dort dreht sich alles um den Schlüssel, mit dem man „Storno machen“ kann, aber aussschließen will ich nichts. Und an der Supermarktkasse sitzt schon wieder eine andere.
Christian T. Schön
Sonntag, 20 Uhr, Monsun-Theater
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