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Edle Tropfen für den Denver-Clan

Nicht die billige Massenware bringt das große Geld auf den Weingütern in Nordkalifornien, sondern einzig und allein hervorragende, bei internationalen Wettbewerben ausgezeichnete Weine. Zur Weinprobe im kalifornischen Napa Valley

von BARBARA GEIER

Über zwei Jahre durfte der kleine Miljenko an Mutters Brust trinken, und man sieht seinen lustigen Augen unter den buschigen Brauen heute noch an, dass ihm das Leben auch weiterhin Köstliches zu bieten hatte. Denn gleich nach der Muttermilch gab es kräftigen Zinfandel, erst einmal natürlich mit viel Wasser vermischt. Seither liegt ihm der Wein im Blut. 77 Jahre ist es her, dass er in Kroatien im Weinberg seines Vaters gezeugt worden ist, wie er sich augenzwinkernd erinnern will. Mittlerweile ist aus dem kleinen Miljenko der große Mike geworden, dessen eigene Weine in Kalifornien reifen und die besten Kreise entzücken.

Miljenko „Mike“ Grgich ist einer der angesehensten Winzer in einer der bekanntesten Weinregionen Kaliforniens. In Rutherford, mitten im 50 km langen und fünf km breiten Napa Valley, liegt sein erlesenes Weingut „Grgich Hills“, das ihm und seinem Partner Austin Hills zusammen ein jährliches Einkommen von gut neun Millionen Dollar sichert. Mikes Liebe zur alten Heimat ist nicht zu übersehen. Direkt an der Straßeneinfahrt zum dicht bewachsenen und blütenumrankten Haupthaus seiner Winery flattert rechts neben der obligatorischen US-Fahne die kroatische im kühlen Wind, der vom nahen Pazifik heraufzieht. Und von drinnen schallen schon mal heimatliche Lieder bis auf den St. Helena Highway, wenn, wie in diesem Sommer, eine Gruppe kroatischer junger Musiker zur Verkostung aufspielt und europäische Gemütlichkeit ins kalifornische Wein-Business bringt.

Das Geschäft ist hart. Winzer wie Grgich, die ihre Weine mit den besten der Welt messen lassen, können sich auf ihren Trauben nicht ausruhen. Nicht die billige Massenware bringt das große Geld, sondern einzig und allein hervorragende, bei internationalen Wettbewerben ausgezeichnete Tröpfchen, die dann auch den Weg in die Gläser der aufstrebenden Jungmanager finden. Die gut verdienende Elite in den amerikanischen Zentren des New Business – eines davon direkt um die Ecke im Silicon Valley – trinkt nur noch guten Wein. Da ist es nicht verkehrt, auf zahlreiche Goldmedaillen und andere Spitzenauszeichnungen für den Chardonnay, Cabernet Sauvignon, Zinfandel und Fumé Blanc verweisen zu können, die zwei bis vier Jahre im Eichenfass reifen und zwischen 18 und 100 Dollar pro Flasche kosten. 1994 und 1997 holte sich die Winery in London bei der International Wine&Spirit Competition den Titel für den „Besten Zinfandel der Welt“. 1982 servierte Ronald Reagan Grgichs 79er Chardonnay dem französischen Präsidenten Mitterrand bei einem Dinner in der Amerikanischen Botschaft in Paris. Ein Jahr später durfte die englische Queen beim Lunch in der Stanford-Universität den 78er Chardonnay genießen. Dennoch – 70 Prozent des teuren Tropfens bleiben im Lande.

Auch „Winemaker“ Stephen B. Dale bedauert unter den 100 Jahre alten Eukalyptusbäumen und Eichen im duftenden Park seiner Buena Vista Winery in den Carneros von Sonoma, seine trockenen Weine kaum in Europa absetzen zu können. Nur acht Prozent werden ins Ausland exportiert, und davon das meiste nach Asien, wo offenbar nicht so auf den Preis gestiert wird. „Es ist völlig unmöglich, mit den preisgünstigen spanischen, italienischen oder französischen Weinen konkurrieren zu wollen“, sagt der alerte Stephen, während er zur Begrüßung ein Glas Kupferberg Gold ausschenkt. Das sprudelnde Nass kommt aus dem gleichen Hause wie die edlen Buena-Vista-Tropfen.

Vor über 30 Jahren hat die Möller-Racke-Familie aus dem deutschen Oberwesel das älteste kalifornische Weingut übernommen und altes europäisches Erbe angetreten. Noch heute soll der unruhige Geist des ungarischen Grafen Agoston Harashthy, der hier 1857 begonnen hat, das Gelände mit Weinreben zu veredeln, über dem romantischen Anwesen schweben. Nur in den Carneros, glaubte schon der umtriebige Adlige, finde sich das richtige „Terroir“, auf das es beim Weinbau einzig und allein ankomme: Erst der fruchtbare Boden, langer Sonneneinfall, warmer winterlicher Regen und die Einflüsse der Meeres aus der Bucht von San Francisco, schwärmt Stephen Dale, lassen die Chardonnay-Traube, den Cabernet Sauvignon, Pinot Noir, Merlot, Gewürztraminer und Zinfandel zu den begehrten Tropfen werden, die sie heute sind.

Busweise strömen die Touristen auf das historische Gelände und besichtigen den tiefen Stollen, den der immer geldknappe Ungar mit billiger chinesischer Handarbeit in den Berg schlagen ließ. Das schattigste Plätzchen für ein deftiges Picknick mit Buena-Vista-Weinen ist allerdings immer noch „Reserved for Count Agoston Haraszthy“.

Östlich vom Napa-Tal, in den kühlen kalifornischen Bergen, hat sich eine ganze Weinfabrik in den Fels gebohrt. Hinter einer riesigen Messingtür versteckt sich einer der exklusivsten Winzerbetriebe der USA. Schon den Weg dahin versperrt ein breites Tor, das sich nur angemeldeten Gästen ferngelenkt öffnet. Gedämpftes Licht und leise Stimmen empfangen den Besucher im Innern des ringförmig angelegten Weinguts, in dem die Chardonnay-, Cabernet-Sauvignon- und Merlot-Trauben nach der Lese verschwinden und frühestens nach vier Jahren wieder das Tageslicht erblicken. Für beständige Luftfeuchtigkeit sorgt ein künstlich angelegter Bach, der in einen unterirdischen Wasserfall mündet. Alles ist aufs Edelste durchgestylt. Verkostet wird in einem „Tasting Room“, der einem königlichen Salon gleicht. Auszeichnungen und Preise liegen unter Glas in der Mitte des edlen Tisches, an dem zum Wein auch Käse gereicht wird. Keine Flasche ist billiger als 38 Dollar. Der 1994 Cabernet Sauvignon, von dem in diesem Sommer wieder geringe Mengen verkauft wurden, kostet 160 Dollar. Der Vertrieb des kostbaren Tropfens ist schlicht und einfach. Die 60.000 Flaschen Wein, die jeder Jahrgang ergibt, werden direkt aus dem Berg an die Kunden verschickt. Ein wenig geht ins Ausland, in die Schweiz und nach Japan. Doch das meiste bleibt im Lande bei den tausend Mitgliedern eines vornehm „,Inner Circle“ genannten Jarvis-Klubs, die die Weine direkt beziehen.

Geld spielt hier keine Rolle. William Jarvis, der mit seiner Frau Leticia die Winery vor 15 Jahren begonnen hat, soll mindestens 20 Millionen Dollar in die Aushöhlung des Berghangs investiert haben. Es war aber nicht nur die Suche nach einer lukrativen Geldanlage, die den Abkömmling einer Ölquelle in Oklahoma hier graben ließ. Der ausgesprochene Schöngeist, ehemaliger Besitzer eines internationalen Kommunikationsunternehmens und intimer Kenner französischer und spanischer Kultur hat sich zehn Jahre lang mit dem Weinbau beschäftigt, bevor er sich für den Standort in den nordkalifornischen Bergen entschied. Er wollte keine Weine machen, die er selbst nicht auch trinken würde.

Was sicher auch Michael Weis von sich behaupten würde, der für die Groth Vineyards & Winery als „Winemaker“ vulkanischen Boden bearbeitet, auf dem vor hundert Jahren der erste Wein des Napa Valley wuchs. 1982 hat Dennis Groth sein Geld hier angelegt. 15 Jahre später hatte sich die Investition schon ausgezahlt. 250 Dollar kostet der 94er Reserve Cabernet Sauvignon, der auf dem rund 280 Hektar großen Weingut gewachsen ist. Von den 300.000 Flaschen Cabernet Sauvignon, Sauvignon Blanc, Chardonnay und Merlot, die hier jedes Jahr hier produziert werden, erreichen nur 120 Deutschland, bedauert Stephen Weis.

Auf den allerersten Keller im legendären Napa Valley ist James Allen stolz. Erstaunlich, dass erst der umtriebige Eigner der Sequoia Grove vor über 20 Jahren in die Tiefe grub. Denn unterhalb des niedrigen Wasserspiegels garantiert der Keller die ideale Temperatur und Luftfeuchtigkeit für den edlen Wein. James Allen trank sein erstes Glas Wein am Rhein, wo er als US-Soldat stationiert war. Der in New York Geborene war „sehr beeindruckt“. In Innsbruck studierte Allen Philosophie, verdingte sich als Übersetzer bei den Vereinten Nationen, bis er in Neu Mexiko begann, sich intensiv mit dem Anbau von Wein zu beschäftigen. Inzwischen hat er Gold- und Silbermedaillen, zuletzt in diesem Sommer beim „Concours Mondial de Bruxelles“, für seine Weine gewonnen: Unter 65 Dollar pro Flasche sind diese Tröpfchen nicht zu haben.

Im Garten seiner aus dickem Holz gefertigten Winery stehen, neben der Tafel für Familienmitglieder und besondere Gäste, sechs ringförmig gepflanzte riesengroße Sequoias, „die letzten Redwood-Bäume im Nappa Valley“, wie Allen stolz und traurig zugleich erzählt. Unter Einheimischen heißen sie auch „Widow Maker“. Um ihrem Namen gerecht zu werden, wirft sie völlig überraschend schwere Äste ab, die manchen schon erschlagen haben sollen.

Kein Ort für Miljenko „Mike“ Grgich. Hat der 77-jährige Winzer aus dem benachbarten Rutherford doch gerade beschlossen, nach einem Leben für den Wein sich künftig vor allem auf Frauen zu konzentrieren.

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