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Bremen spart an den Löhnen

■ Moderate Tarifabschlüsse führen zu 50 Millionen Mark Überschuss in der Personalkosten-Kasse des Finanzsenators / Der will das Geld in seiner Kriegskasse als „Rücklage“ behalten

Im ersten Jahr der großen Koalition nach den Bürgerschaftswahlen 1995 hat es eine Diskussion unter der Überschrift „Solidarpakt“ gegeben. Bremens öffentlich Bedienstete sollten ihren Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen durch Lohnverzicht leisten, forderte damals der Staatsrat im Finanzressort, Johannes Beermann. Nullrunden konnte sich die ÖTV auch vorstellen – aber nur zugunsten der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Das wollte der Senat nicht. Die Verhandlungen scheiterten, das Wort vom „Solidarpakt“ geriet in Vergessenheit.

Einen unfreiwilligen Solidar-Effekt kann der Finanzsenator inzwischen in der von ihm gewünschten Weise verbuchen: In der Finanzplanung war mit bescheidenen Steigerungen der Personalkosten von 1,5 Prozent kalkuliert worden. Doch dank der moderaten Tarifabschlüsse ergeben sich dort jetzt erhebliche Ersparnisse für den Finanzsenator. Besonders erfreut war Harmut Perschau bei dem Tarifabschluss im Juni über die 31- monatige Laufzeit der Vereinbarung. Das ermöglicht es jetzt, die Ersparnisse auf Jahre genauer zu beziffern. Allein im Kernbereich der bremischen Verwaltung war für das Jahr 2000 eine Personalkosten-Reserve von 30 Millionen Mark eingeplant, wovon nur 7,3 Millionen gebraucht werden. Das liegt vor allem daran, dass bei den Haushaltsbeschlüssen die Personalkosten-Zulagen ab 1. Januar gerechnet waren, die Tarifverträge aber erst ab August gelten.

Im kommenden Haushaltsjahr hatte der Finanzsenator 60 Millionen Mark vorgesehen für Personalkostensteigerungen, gebraucht werden 40,7 Millionen. Im Jahr 2002 sind 90 Millionen eingeplant, gebraucht werden voraussichtlich 82 Millionen.

Bei den Personalkostenzuschüssen an Bremerhaven, an die Universität und die Hochschulen sieht es ähnlich aus. Während beim Bremer Theater um die Berücksichtigung der Tarifeffekte hart gerungen wurde, hatten diese Institutionen ihren Tarif-Effekt garantiert – und brauchen ihn nun nicht vollständig. „In jedem Fall liegen die tatsächlichen Kostensteigerungen in den Jahren 2000 und 2001 zum Teil erheblich unter den in der Planung berücksichtigten Werten“, stellt der Finanzsenator in einem internen Bericht fest.

Was nun? Erstmal soll über das Thema nicht so laut geredet werden. Für die Öffentlichkeitsarbeit sei das „nicht geeignet“, findet der Finanzssenator. Eine Erfolgsmeldung darüber, wie viel Geld die Staatskasse spart, wird es nicht geben. Am kommenden Dienstag soll der Senat allerdings darüber entscheiden, wie der Kuchen verteilt werden könnte. Die auf der Hand liegende Lösung, dass zum Abschluss des Haushaltsjahres unter Einbeziehung des Haushaltsgesetzgebers über die Verwendung der eingesparten Mittel entschieden wird, will der Finanzsenator lieber nicht. Da könnte es zu viele Begehrlichkeiten geben. Sein Vorschlag: In der weiteren mittelfristigen Planung wird die Tarifsteigerungsrate nicht mehr mit 1,5 Prozent, sondern nur mit einem Prozent berücksichigt. Und die in den Jahren 2000 bis 2003 „gesparten“ Mittel sollen in eine Kriegskasse beim Finanzsenator fließen. Begründung: Es könnte ja sein, dass die Personalkosten in den Jahren 2003 und folgende stärker wachsen als derzeit absehbar.

Im Senat wird der Vorschlag vermutlich ohne Murren durchgehen, weil er ein Bonbon für alle enthält: Die Tarifanteile in den dezentralen Ressort-Budgets der SenatorInnen werden nicht zentral einkassiert, sondern sollen bei den Ressorts verbleiben. Die können damit „Rückstellungen zur Absicherung von künftigen Kostensteigerungen und personalwirtschaftlichen Umgestaltungsmaßnahmen“ bilden. Das ist so schön wie Weihnachtsgeld für die ausgetrockneten Kassen der Senatsressorts. K.W.

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