: Saddam Husseins Spiel mit Ölwaffe
Gestern beschloss Irak, Öl-Export vorerst nicht zu stoppen. Dennoch will Bagdad Aufhebung des UN-Embargos
BERLIN/BAGDAD taz/dpa ■ In letzter Minute hat Saddam Hussein doch noch eingelenkt. Eigentlich wollte Iraks Staatschef vom Wochenende an kein Öl mehr exportieren. Nun kündigte der irakische Ölminister Amer Mohammad Raschid an, doch noch bis Januar Verpflichtungen aus Lieferverträgen zu erfüllen. Der Minister äußerte sich gestern zuversichtlich, dass es mit den Vereinten Nationen zu einer Einigung über den geforderten Preisaufschlag kommen werde. „Wir hoffen, mit den internationalen Überwachern des Embargos eine Vereinbarung über die vom Irak vorgeschlagenen Tarife zu erreichen“, sagte Raschid auf einer Pressekonferenz in Bagdad.
Der Irak liefert Öl im Rahmen des mit der UNO ausgehandelten Programms „Öl für Lebensmittel“. Zuletzt war die Fördermenge unbegrenzt, der Erlös landet auf einem Konto der UNO in New York und darf nur für humanitäre Zwecke verwendet werden. Dieses Reglement will Irak durchbrechen, die UNO zwingen, die seit dem irakischen Einmarsch in Kuwait 1990 geltenden Sanktionen gegen das Land aufzuheben, die die meisten Güter außer Lebensmittel und Medikamente betreffen.
Auf Saddams angedrohte Ölhahnsperrung reagierte der internationale Ölmarkt in der letzten Woche zunächst hektisch. Immerhin hatte der Staat mit den zweitgrößten Ölreserven der Welt zuletzt täglich 2,4 Millionen Barrel Rohöl exportiert und damit fünf Prozent des Welthandels bestritten. Übertroffen wurde er nur noch von Saudi-Arabien. In der vergangenen Woche stieg daher der Preis in London schlagartig um 30 Cent pro Barrel auf 31,88 Dollar.
Das machte vor allem die Autonation Nummer eins nervös. Eilig telefonierte US-Präsident Bill Clinton seine Erdöl produzierenden Verbündeten ab. Mit Erfolg: Am Samstag erklärte der saudi-arabische Ölminister, Ali al-Naimi, sein Land werde die Ölproduktion erhöhen, um die von den Irakern hinterlassene Lücke zu füllen. Die Opec habe noch zusätzliche Kapazitäten von 2,5 Millionen Barrel täglich. Allein 70 Prozent davon würden auf Saudi-Arabien entfallen. Der Markt war erleichtert, und der für Januar avisierte Rohölpreis fiel am Wochenende wieder um 1,73 Dollar auf 30,15. Morgen soll der UN-Sicherheitsrat erneut über eine Verlängerung des Programms „Öl für Lebensmittel“ beraten – egal, ob Irak nun Öl exportiert oder nicht.
Etwa 35 Milliarden US-Dollar soll „Öl für Lebensmittel“ dem Irak bisher eingebracht haben. Legal exportiert der Irak nur über eine Pipeline zu dem türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan und den eigenen vergleichsweise kleinen Port Mina al-Bahr am Golf. Hinzu kommen jedoch noch Schmuggelrouten vor allem über Jordanien und Iran. Einen weiteren Exportweg außerhalb der UN-Kontrolle öffnete sich am 16. November. Erstmals seit 1982 floss wieder irakisches Rohöl durch eine Pipeline in das seit dem ersten Golfkrieg zwischen Iran und Irak mit Irak verfeindete Syrien. Laut syrischen Angaben hat der notdürftig geflickte Röhrenstrang derzeit eine Kapazität von 150.000 Barrel pro Tag.
Fällt erst einmal das Embargo, stehen die Abnehmer irakischen Öls bereits Schlange. Französische und chinesische Firmen haben längst Verträge mit den Irakern geschlossen. Vom libanesischen Sidon und der syrischen Hafenstadt Lattakia könnte das Öl dann auf den Weltmarkt gebracht werden. Irak hätte wieder Zugang zu Seehäfen mit großen Exportkapazitäten. Der wichtigste Grund für den Einmarsch in Kuwait wäre damit obsolet. Das Golfemirat verschließe Irak den Zugang zum Meer wie ein Korken eine Flasche, hatte Saddam Hussein den Überfall einst gerechtfertigt. THOMAS DREGER
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