15 Millimeter kosten zwei Millionen

Noch nie hat ein Golfspieler so viel auf einmal verdient wie der Südafrikaner Ernie Els im Dorado des Entertainment

SUN CITY taz ■ Fast eine Stunde nach dem dramatischen Showdown saßen Liezl Els samt Töchterchen Samantha (2) auf dem Sofa und warteten auf Papa Ernie. Die Kleine trank Wasser aus einer schnöden Plastikflasche, was nicht eben angemessen war. So viel Geld auf einmal verdient, und die Kohle reicht nicht für ein ordinäres Glas? Liezl Els muss lachen: „Ach, die Kleine muss doch noch üben.“ Schwupp, schon geht ein großer Schluck daneben.

Zwei Millionen US-Dollar Preisgeld hatte der südafrikanische Lokalmatador Ernie Els (30) soeben gewonnen, so viel wie noch nie ein Golfspieler auf dieser Welt zuvor. Bei einem Turnier, das zudem seinesgleichen sucht auf der Welt. Der Ort: das Entertainmentdorado Sun City, zwei Autostunden nordwestlich von Johannesburg, eine künstliche Oase des Protzes mitten in der Wüste des ehemaligen Homelands Bophuthatswana. Das Event: „The One Million Dollar“-Turnier.

Für die begeisterte Sportnation Südafrika ist das Event eine Riesennummer. Auf sieben Kanälen parallel übertrug das Fernsehen. 20.000 Menschen waren rausgefahren in die aufgepeppte Einöde und sie machten Golf zum Fußballmatch.

Allein der Schlusstag war atemraubend. Der Engländer Lee Westwood, der Gewinner der europäischen Rangliste 2000, schien zum großen Entsetzen uneinholbar in Führung zu liegen, zwei Schläge bei noch drei ausstehenden Löchern. Doch Els gelangen zwei Birdies. Gleichstand nach zwei Tagen. Ein Play-off musste entscheiden. Sudden Death um 4,6 Millionen Mark. Westwood puttete aus großer Entfernung 1,5 Zentimeter vorbei. 15 Millimeter. Titelverteidiger Els lochte ein und gewann.

Eine Million? Zwei Millionen? Da sind wir schon beim aktuellen Problem. Inflation und Erwartungen der Golfprofis haben den Namen des Einladungsturniers obsolet gemacht. Denn das Preisgeld wurde verdoppelt. Aber den Namen ändern? Ein schwerer Konflikt: Die Leute sagen jetzt „One Million doubled“, der Großsponsor bestand auf „The Nedbank Challenge“. PR-Managerin Sue Klerck sagt, „das gefällt der Bank gar nicht, aber sie werden sich schon dran gewöhnen“.

Früher gab es andere Probleme mit diesem Turnier. Gerade zu Apartheid-Zeiten war Sun-City-Golf das Showobjekt im Burenstaat, aus dem der Honig der Reputation gesaugt wurde. Man lockte Stars mit immensen Antrittsgeldern. Einer, der immer dabei war, war der gute Deutsche Bernhard Langer. Keiner hat seit 1979 hier so oft gespielt wie er (13-mal). Und keinen haben sie so geliebt in Südafrika wie den Imagesponsor aus Anhausen.

„Icy cold real gentleman“ wurde er genicknamed. Einmal wurde er am ersten Abschlag „als Südafrikas adoptierter Sohn“ vorgestellt. „Keinen“, sagt heute PR-Dame Sue Klerck, „haben die Leute so gemocht. Bernhard war freundlich und höflich wie kein Zweiter.“ Auch in der Apartheid-Zeit? „Ja, sicher, natürlich, auch, all die Jahre.“ Da wird die eloquente Dame deutlich wenigsilbiger. Langer gewann das Turnier 1985 und 1991, je eine Million. Später sagte er sibyllinisch: „Glücklich war man hier vor allem darüber, dass ich auch in den Jahren gekommen bin, als es politisch mit diesem Land nicht gerade gut stand.“ Im Jahr 2000 steht es mit Langer sportlich nicht mehr so gut. Er ist nicht mehr auf der Einladungsliste.

Verlierer Lee Westwood bekam dann nur 300.000 Dollar. „Nicht richtig enttäuscht“ sei er, behauptete er. Und scherzte: „Na ja, so viel bekommen wir wirklich nicht oft.“ Aber „das Baby“, er meinte den Ball, wollte halt nicht. „Du musst die Chancen nutzen, wenn sie kommen.“ Er konnte nicht. Und Els, der nette Riese von gut 1,90 Metern, den sie ob seines perfekten Schwunges „The Big Easy“ nennen? „Als Lee die Chance hatte, hab ich gedacht, das war’s. Sudden Death ist wirklich verrückt. Wahrscheinlich ist Golf sowieso ein komisches Spiel. ich hatte Schmetterlinge im Bauch wie nie“, sagte er.

Samantha Els wird nun vielleicht ein eigenes Glas bekommen. Und Mama Liezl hat noch acht Finger ohne glitzernden Ring. Papa Ernie jedenfalls freute sich nach dem Sieg, so wird kolportiert, nur subekstatisch. Warum? In der Nacht, nach einigen Bieren, offenbarte Lee Westwood, er habe sich mit Els eh auf 50 : 50 geeinigt. Oder war’s ein nur ein trunkener Scherz?

BERND MÜLLENDER