: Grüne füllen rote Robe
Brun-Otto Bryde soll neuer Verfassungsrichter in Karlsruhe werden. Wahl schon am Freitag
von CHRISTIAN RATH
Das Warten hat sich gelohnt. Nach mehr als einjähriger Hängepartie präsentieren die Grünen nun einen Juristen für das Bundesverfassungsgericht, der wohl auch das Plazet der CDU erhalten wird. Erster „grüner“ Richter am Bundesverfassungsgericht soll der renommierte Gießener Rechtsprofessor Brun-Otto Bryde werden.
Es ist bereits der dritte Personalvorschlag, den die Grünen machen. Die SPD hat ihnen nach der gemeinsamen Regierungsbildung zwar einen Sitz im Ersten Senat abgetreten, da Verfassungsrichter jedoch mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden, muss auch die Union einem entsprechenden Personalvorschlag zustimmen. Und CDU-„Richtermacher“ Rupert Scholz ließ die Grünen bisher zittern. Weder die Berliner Anwältin Veronika Ahrendt-Rojahn noch der linke Verfassungsrechtler Ulrich K. Preuß fanden seine Gnade. Mit Brun-Otto Bryde (sprich: Briide) präsentieren die Grünen nun aber einen Staatsrechtler ersten Ranges. Dass er eines Tages nach Karlsruhe berufen würde, war abzusehen. Überraschend ist aber, dass es auf dem Ticket der Grünen sein wird. Bryde ist parteilos und galt bisher eher als SPD-nah. Seine Schwerpunktthemen passen aber durchaus auch zu den Bündnisgrünen: Rechtsprobleme der Risikogesellschaft und der Weltwirtschaftsordnung, vor allem aber sein Kampf um eine moderne Demokratiekonzeption.
Gerade in Demokratiefragen trat Bryde auch schon zweimal in Karlsruhe auf. Ende der 80er-Jahre vertrat er das Land Schleswig-Holstein, als das dort eingeführte kommunale Ausländerwahlrecht angegegriffen und letztlich auch für verfassungswidrig erklärt wurde. Mehr Erfolg hatte der Jurist dann als Vertreter des Bundestags im Maastricht-Verfahren 1993. Deutschland durfte den Vertrag über die Europäische Union unterzeichnen, entschied Karlsruhe damals.
Kaum ein Richter geht so gut vorbereitet nach Karlsruhe wie Brun-Otto Bryde. Immerhin hat der 58-Jährige bereits mehrfach über das Bundesverfassungsgericht geforscht.
Jetzt soll alles ganz schnell gehen. Bereits für Freitag ist Brydes Wahl im Wahlgremium des Bundestags vorgesehen. Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) hat dem grünen Personalvorschlag bereits zugestimmt. Und auch aus der CDU soll es positive Signale gegeben haben. Tatsächlich dürfte sich die Union schwer tun, Brun-Otto Bryde abzulehnen. Immerhin hat ihn die Kohl-Regierung im Verfahren um die Entschädigung von ostdeutschen Alteigentümern, das gerade in Karlsruhe abgeschlossen wurde, zu ihrem Verfahrensbevollmächtigten bestellt.
Bryde wird nach seiner Ernennung in Karlsruhe für Fragen des Arbeitsrechts, der Wissenschafts- und der Vereinigungsfreiheit zuständig sein. Er folgt damit auf Richter Jürgen Kühling, der das Gericht eigentlich schon lange verlassen wollte, aber in Ermangelung eines Nachfolgers im Amt bleiben musste. Wie in Berlin zu hören ist, könnte demnächst auch die zweite frei gewordene Richterstelle am Bundesverfassungsgericht neu besetzt werden. Nach dem Tod des Richters Klaus Winter hat hier die CDU das Vorschlagsrecht. Im Gespräch ist hier ein Richter am Bundesfinanzhof.
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