: Bei Patt ist in der EU ein Alleingang möglich
Der Europäische Gerichtshof erlaubt dann nationale Maßnahmen gegen BSE, wenn EU-Kommission und die Mitgliedsländer sich nicht einigen
KARLSRUHE taz ■ Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Nationale Alleingänge gegen die BSE-Gefahr sind dann zulässig, wenn es noch keine verbindlichen europäischen Regeln gibt. Konkret ging es im gestern entschiedenen Fall um eine Klage der nordirischen Firma Eurostock. Sie wollte weiterhin Rindsköpfe aus Irland verarbeiten, sah sich darin jedoch durch ein Einfuhrverbot der englischen Regierung gehindert. Nach Meinung von Eurostock durfte die englische Regierung kein nationales Einfuhrverbot für so genanntes BSE-Risikomaterial erlassen, weil bereits die EU-Kommission entsprechende Maßnahmen getroffen habe.
Tatsächlich hatte die Kommission 1997 ein europaweites Verarbeitungsverbot für Risikomaterial von Rindern wie Schädel, Gehirn, Augen, Mandeln und Rückenmark erlassen. Sie stützte sich dabei auf die EU-Veterinär-Richtlinie von 1989. Diese sah für Schutzmaßnahmen der Kommission jedoch vor, dass jeweils eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten zustimmen müsse.
Diese Mehrheit kam allerdings drei Jahre lang nicht zustande, weil viele Mitgliedsstaaten die BSE-Gefahr in ihrem Land nicht ernst genug nahmen. Für den EuGH stand im Eurostock-Verfahren außer Zweifel, dass Mitgliedsstaaten in einer derartigen Patt-Situation eigene Maßnahmen zum Schutz vor BSE ergreifen dürfen. Selbst die Kommission, die sonst oft nationale Alleingänge kritisiert, hatte sich in der mündlichen Verhandlung klar hinter die englische Regierung gestellt.
Inzwischen wurde der hinter dem Rechtsfall stehende Konflikt allerdings entschärft. Denn nach dem Auftreten des ersten BSE-Falles in Dänemark und dem damit einhergehenden Umdenken bekam die Kommission in diesem Sommer doch noch eine Mehrheit für ihren Vorstoß zusammen. Seit dem 1. Oktober gilt nun die europaweite Pflicht, BSE-Risikomaterial aus der Nahrungs- und Futtermittelkette zu entfernen.
Da derartige Patt-Konstellationen gerade in BSE-Fragen immer wieder vorkommen, hat die jetzige EuGH-Entscheidung aber durchaus grundsätzliche Bedeutung. Keine Rolle spielte gestern allerdings die Frage, unter welchen Umständen ein Mitgliedsstaat schärfere Maßnahmen treffen darf als die EU-Kommission selbst. CHRISTIAN RATH
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