: Dreck im Vegesacker Wasser
■ Es gibt Streit um Umweltschutz-Auflagen, die die Norddeutsche Steingutfabrik in Zukunft beeinträchtigen würden ... wenn sie nicht ohnehin wegziehen würde
Es klingt wie ein Kampf um des Kaisers Bart: Seit mehreren Jahren müht sich die Umweltbehörde ein Wasserschutzgebiet in Vegesack auszuweisen, um die Trinkwasserbrunnen zukünftig vor schädlichen Einflüssen abzusichern: Neue Industrien samt gefährlicher Abwässer dürften dann nicht mehr genehmigt werden. Inzwischen wird die Verordnung in der Umweltdeputation verhandelt, nachdem der Beirat Vegesack und ein Großteil der Anwohner der Wasserschutzzone inzwischen zugestimmt haben und die swb (ehemals Stadtwerke) die Fördermengen in Bremen-Nord von jetzt 17 auf 20 Prozent erhöhen will. Doch ausgerechnet jetzt grätscht die Firma zwischen die Planungen, die ohnehin in naher Zukunft zumindest teilweise Vegesack den Rücken kehrt: die Norddeutsche Steingut AG.
Mit „Ausnahme der Bedenken der Steingut AG“ konnten die Zweifel im Ort „vollständig ausgeräumt werden“, heißt es in der Deputationsvorlage des Umweltressorts einigermaßen lakonisch. Noch im Sommer glaubte die Behörde das Gebiet an der Uthoffstraße spätestens im Dezember per Rechtsverordnung ausweisen zu können. Inzwischen hat der Kachelproduzent mit der Handelskammer Bremen und dem Industrie-Forum Bremen-Nord allerdings schwergewichtige Unterstützer gegen das Wasserschutzgebiet gefunden. Und die konnten immerhin durchsetzen konnten, dass die CDU den Wasserschutz von der Tagesordnung in der Umweltdeputation vor vier Wochen kickte.
Im Umweltressort spricht man inzwischen von „völlig überflüssigen Steinen, die in den Weg gerollt werden“. Denn die Argumente, die die Steingut AG vorbringt, werden in der Deputationsvorlage minutiös enthärtet: Die Anlagen der Steingut AG zur Lagerung wassergefährdender Stoffe wären in gutem Zustand. Es wären also keine relevanten zusätzlichen Kosten notwendig. Der Kachelproduzent kann weiterhin selbst Wasser gewinnen, ohne die Brunnen leer zu pumpen. Das Niederschlagswasser darf weiterhin in die Schönebecker Aue geleitet werden, denn darauf hätte die Wasserschutzgebietsverordnung „keine Auswirkungen“. Auch die beabsichtigte Lagerhalle könne gebaut werden. „Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die einer Genehmigungspflicht entgegenstehen.“ Kurzum, die Steingut dürfe so weitermachen wie bisher und genießt Bestandsschutz.
Die massiven Proteste der Steingut gegen das Wasserschutzgebiet machten dann aber womöglich nur Sinn, wenn die anfangen wollten, es in Zukunft mit dem Umweltschutz nicht mehr so genau zu nehmen, argwöhnt Karin Mathes von den Grünen. Auch die Hilfs-Argumente der Handelskammer, die wirtschaftliche Entwicklung wäre in Zukunft wegen zu hoher Auflagen gefährdet, lässt sich entkräften: „Düsseldorf hat zwei Drittel der Stadt als Wasserschutzgebiet ausgewiesen, ohne dass das die wirtschaftliche Entwicklung irgendwie gehemmt hätte“, erklärt auch Joachim Schuster (SPD), der hofft das leidige Thema heute durch die Umweltdeputation zu bekommen. Spannend wird allerdings die Haltung der CDU: Ein zweites Mal dürften die Konservativen ein Thema jedenfalls nicht aussetzen, erklärt Schuster. Seine Kritik: Als es um die Möglichkeit der Trinkwasserentnahme an der kleinen Weser ging, hatte die CDU immer auf die Brunnen in Vegesack verwiesen, auf die man sich eher konzentrieren solle. Dazu sollten die Konservativen jetzt auch stehen, sagt er.
Die Frage ist allerdings auch, was der Fliesenfabrikant in Zukunft am Stadtort Vegesack vorhat: Um einen Wegzug des Unternehmens ins niedersächsiche Umland zu verhindern, hatten die Wirtschaftsförderausschüsse der Firma im Frühjahr ein Grundstück in Bremerhaven angeboten – mit Kaje, Gleisanschluss und 20 Millionen Mark Fördergeld. Für das Verwaltungsgebäude in Bremen-Nord soll sich der Nachbar, die International University Bremen, bereits interessieren. Zumindest ein Teil der Produktion soll aber in Vegesack bleiben. Wie viel und ob das Wasserschutzgebiet abhängt oder nicht, wollte die Steingut bislang nicht verraten.
pipe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen