: Dreckiges Dutzend vor globalem Verbot
UN-Konferenz in Johannesburg feilscht um Ächtung von langlebigen Giften. Studie: Afrika als Pestizid-Endlager
BERLIN taz ■ Das Scheitern des UN-Klimagipfels in Den Haag hat vielleicht auch seine guten Seiten: Bei den Verhandlungen um ein Verbot der gefährlichsten Umweltgifte, die unter UN-Ägide derzeit im südafrikanischen Johannesburg stattfinden, können sich die Staaten nur schwerlich eine zweite Blamage erlauben, hoffen Umweltschützer. Bis Samstag feilschen die Fachbeamten der einzelnen Staaten um einen Kompromiss, mit dem ihre Minister im Mai in Stockholm als Umweltengel dastehen können: als die Retter vor der Gefahr durch die langlebigen organischen Gifte (Persistant Organic Pollutants, kurz POPs).
Das „dreckige Dutzend“, um dessen Verbot schon seit Jahren gerungen wird, bestehen aus Pestiziden wie DDT, Aldrin oder Endrin, aus Industriechemikalien wie Hexachlobenzol oder PCB und aus hochgiftigen ungewollten Nebenprodukten der chemischen Industrie wie Dioxinen und Furanen. Um deren Verbot wird nun gehandelt, und in einer Paketlösung scheint alles möglich: ein Verbot mit sofortiger Wirkung, eine Frist für das geordnete Auslaufen oder weiterhin Produktion und Verwendung in Russland, Brasilien, China, Indien und Südafrika. In einigen Staaten etwa ist das Verbot von DDT bereits gelockert worden, um die Mücken als Überträger der Malaria zu bekämpfen.
Der Ort der Konferenz ist passend gewählt: Denn Afrika gilt nach einer Untersuchung von Greenpeace als der größte Pestizid-Abstellplatz der Welt. „Waren noch vor zehn Jahren die illegalen Giftmüllexporte nach Afrika das größte Problem, sind es heute die legalen Ausfuhren von Pestiziden“, erklärt Giftexperte Andreas Bernstorff. In einem umfangreichen Gutachten hat er zusammengetragen, wie viele Tonnen hochgiftiger Pestizide teilweise ohne Sicherheitsvorkehrungen verstaut sind: So lagern etwa in Kamerun 225 Tonnen, der Zentralafrikanischen Republik 238 Tonnen, in Südafrika 491 Tonnen und in der Demokratischen Republik Kongo 591 Tonnen Gift. Neben Afrika ist vor allem Osteuropa einZiel für die in den Industriestaaten längst verbotenen Gifte.
Um den Druck auf die Konferenz zu erhöhen, hat der World Wide Fund for Nature (WWF) eine Übersicht veröffentlicht, wo POPs die Umwelt schädigen. Aus der Übersucht wird deutlich, dass sie zu einem globalen Problem geworden sind. So sammelten die Umweltschützer Berichte über PCB-verseuchte Fische in den großen Seen Nordamerikas, über Müllverbrennungsanlagen in Südafrika, die Dioxine ausstoßen, über Dioxinkonzentrationen im Fleisch von Walen und Delfinen und über PCB-Belastungen von Eisbären, die zu Störungen von Immun- und Fortpflanzungssystemen geführt haben.
Neben dem Verbot der Gifte steht auf der Tagesordnung der Konferenz auch die Frage, wer für die Beseitigung der Altlasten zahlen soll. Denn die betroffenen Länder und die Umweltschützer fordern von den Industriestaaten und Chemiekonzernen, die Pestizide zurückzunehmen und zu entsorgen. Ein internationaler Fonds könnte die Lösung sein, doch die Details werden den Beamten in Johannesburg schlaflose Nächste bereiten. BERNHARD PÖTTER
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