: Pillen-Abtreibung nur für Reiche?
Regierungsbericht: Weil die Abtreibung per Mifegyne zu viel kostet, bleibt ärmeren Frauen oft nur die Operation
BERLIN taz ■ Die Abtreibung per Pille ist in Deutschland eine Abtreibung de Luxe geworden. Dies ergibt sich aus einem ersten „Erfahrungsbericht“, den die Bundesregierung gestern dem Gesundheitsausschuss des Bundestags vorgelegt hat.
Anfang des Jahres waren Mediziner, Beratungsstellen und Betroffene befragt worden. 55 Prozent der Frauen, die per Mifegyne abtrieben, waren demnach „Selbstzahlerinnen“, was bedeutet, dass sie so viel verdienen, dass das Sozialamt die Kosten der Abtreibung nicht übernimmt. Beim herkömmlichen operativen Eingriff stellen dagegen die ärmeren Frauen die Mehrheit: 70 Prozent dieser Abtreibungen zahlte das Sozialamt. Von den Krankenkassen werden Abtreibungen generell nur erstattet, wenn eine „medizinische Indikation“ vorliegt, in den Schwangerschaftskonfliktfällen also in der Regel nicht.
Die Sozialämter übernehmen nur den gesetzlichen Mindestsatz von etwa 300 Mark für einen medikamentösen Abbruch. Doch die Ärzte klagen, dass die realen Kosten viel höher liegen. Der Bericht scheint nun den Verdacht zu bestätigen, dass viele Ärzte bei ihrer ärmeren Klientel die Abtreibung per Pille nicht durchführen wollen und auf die Operation verweisen: „Der hohe Anteil der Selbstzahlerinnen beim medikamentösen Abbruch legt einen Zusammenhang mit der unzureichenden Kostenerstattung nahe.“
Zudem zeigt sich, dass viele Frauen keinen Zugang zur Abtreibung per Pille haben: 44 Prozent der Befragten sahen in ihrer Region nur „unzureichende“ Möglichkeiten, im ländlichen Raum waren es sogar 72 Prozent. 16 Prozent hatten gar keinen Zugang zu Mifegyne.
Inzwischen hat der Bewertungsausschuss der Krankenkassen, der den Kostensatz festlegt, zugesagt, die Bewertung bis Januar noch einmal zu überdenken. Würden mehr Ärzte die medikamentöse Methode anwenden, lohnte sich auch der Vertrieb wieder. Wegen mangelnden Umsatzes liefert die Firma Femagen die Pille ab 2001 nicht mehr aus. Eine neue Firma ist aber schon gefunden.
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