Strahlender Müll

■ Fässer mit hochradioaktivem Material direkt neben dem AKW Krümmel entdeckt

Für Rainer Ahlfänger ist die Sache eine „kriminelle“ Aktion: „16 Fässer, so professionell gegen Strahlungsnachweise abgeschirmt – das muss gezielt gelaufen sein“, sagt der Chef des Strahlenschutzes des GKSS-Forschungszentrums Geesthacht. Dort wurden mindes-tens 16 Fässer mit hochradioaktivem Inhalt entdeckt, die vor etwa 20 Jahren von einer Firma als „schwach radioaktiv“ deklariert und eingelagert worden waren.

„Der Inhalt eines Fasses strahlt so stark, dass er auf 100 Fässer verteilt werden müsste“, sagt GKSS-Sprecher Hans-Friedrich Christiansen. Und Wilfried Voigt, grüner Staatssekratär im schleswig-holsteinischen Energieministerium, fügt hinzu: „Wenn man lang genug daneben steht, fällt man tot um.“

155 Fässer hatte das Braunschweiger Unternehmen „Amersham & Buchler“ Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre bei der „Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt“ direkt neben dem AKW Krümmel angeliefert, die zentrale Sammelstelle Norddeutschlands für schwach radioaktiven Abfall aus Kliniken und Gewerbe ist.

Weil einige der 200-Liter-Fässer rosteten, sollten sie nun in Edelstahlbehälter umgepackt werden. Dabei entdeckte der GKSS-Strahlenschutz „den Skandal“, so die Kieler SPD-Gesundheitsministerin Heide Moser. Ein Fass enthält eine noch unidentifizierte Flüssigkeit, deren Strahlung den Grenzwert um das 3000-fache überschreitet, ein anderes enthält eine Ampulle mit hochstrahlendem Cäsium 137.

In beiden Fällen war der Inhalt unter Bleiplatten versteckt, welche Strahlung zurückhalten und die Kontrollen bei der Anlieferung vor 20 Jahren täuschten. Mit der falschen Etikettierung sollte offenbar vorsätzlich hochgiftiges Material kostengünstig entsorgt werden. Radioaktivität sei jedoch nicht ausgetreten, beteuert Voigt, auch sei sicher, dass das Material nicht aus Atomkraftwerken stamme.

Wegen Betruges hat die GKSS gestern Anzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft Lübeck gestellt. Denn die Braunschweiger Firma hat zwischenzeitlich den zuständigen Geschäftsbereich verkauft, so dass die Rechtsnachfolge nicht geklärt ist. Unklar ist nicht nur Voigt noch, was mit dem Strahlenmüll passieren soll: „Wir denken nach.“ Sven-Michael Veit