: Elvis lebt, Presley auch
Die Fotografen Robert Huber und Stephan Vanfleteren schlüpften in die Rolle des „King“ und fuhren drei Wochen quer durch Amerika. Ergebnis: ein hinreißender Bildband
von ANDREAS HERGETH
The King is alive! Und das gleich im Doppelpack: Irgendwo in den Weiten der USA wurden Elvis und Presley gesichtet. Mit schwarzen zerzausten Haaren stehen sie im Wüstensand. Im Schlag der weißen Hosen blitzt roter Stoff. Die Beinkleider sind wie die Sakkos mit bunten Glasperlen geschmückt, die in Linien zu Sternen zusammenlaufen. Auf den Jackenrücken sind ihre Namen zu lesen. Elvis hält eine Schnur in der rechten Hand. Ein Selbstauslöser. Von wegen the King is alive!
Die Reise der beiden Fotografen Robert Huber und Stephan Vanfleteren begann 1999 in New York, irgendwo an der 42. Straße. Drei Wochen später und elf Staaten weiter endete sie in der Wüste von Death Valley. Was die beiden auch immer während ihres Trips unternahmen, sie trugen dabei stets ihre Elviskostüme. In ihnen schlenderten sie durch die Straßen von New York und wurden von Passanten bestaunt, obwohl es in den Staaten doch gerade von Elvis-Look-alike-Wettbewerben nur so wimmelt.
In der U-Bahn kniet Elvis vor einer schönen Frau, im Hintergrund rauscht der Zug davon. Hat sie ihn, vom Elvisverschnitt fasziniert, von dannen fahren lassen? Vielleicht findet sie die Situation auch nur komisch, denn sie trägt ein leichtes Lächeln auf den Lippen: Ach, noch so ein Freak. Als aber Presley mit dem Sightseeingbus durch eine Stadt fährt, nimmt niemand Notiz von ihm.
Die beiden Elvisimitatoren trinken Kaffee, spielen Tramper, geben rothaarigen älteren Damen Handküsschen, werden von fremden Frauen auf der Straße freudestrahlend umarmt, tanzen in Kleinstadtbars mit den Gästen und posieren mal vor bergiger Kulisse, mal vor weidenden Kühen – und natürlich vor Elvis Presleys „Graceland“. Schaut man jedoch genau hin, entpuppt sich das Eingangstor seines einstigen Wohnsitzes als schnödes Plakat. Denn in Mississippi sammelt ein Mann seit 42 Jahren alles, was mit dem King zu tun hat – wie man in Tagebuchschnipseln am Ende des Bildbandes nachlesen kann. Das schönste Foto ist keines der inszenierten Bilder, sondern ein Schnappschuss: Presley schaut durch ein Fenster nach draußen. Dort steht ein kleines schwarzes Mädchen und hält sich lachend die Hand vor dem Mund. Robert Huber und Stephan Vanfleteren, die für drei Wochen in die Elvis-Kostüme schlüpften, fanden sich im wahrsten Sinne des Wortes in einer neuen Rolle wieder.
Die Fotojournalisten, sonst daran gewöhnt, am Rand zu stehen, agierten plötzlich als Hauptpersonen ihrer eigenen Fotoreportagen. Deshalb fotografierten sie sich gegenseitig, Elvis alias Robert Huber in Farbe, Presley alias Stephan Vanfleteren schwarzweiß. Vanfleteren, Jahrgang 1969, lebt in Brüssel, und Huber, 1972 in der Schweiz geboren, in New York. Beide studierten Fotografie und arbeiten für namhafte internationale Zeitschriften und Magazine.
Mit „Elvis & Presley“ ist ihnen ein fotografisches Roadmovie gelungen, das einen amerikanischen Mythos aufnimmt und ihn ironisch bricht: Elvis ist tot, es lebe Elvis! „Hey, was treibt ihr da? Elvis war ein schlechter Mensch“, fuhr ein Priester die beiden Fotografen irgendwo auf ihrer Reise an. „Warum, er liebte doch seine Mutter?“, widersprach Robert Huber. „Aber er nahm Drogen!“, schrie der Priester. „Man darf schlechte Menschen nicht imitieren. Ihr solltet euch lieber als Jesus Christus verkleiden!“
Robert Huber/Stephan Vanfleteren: „Elvis & Presley“. Kruse Verlag, Hamburg 2000, 98 Seiten, 98 Mark
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