Im Schatten der Intifada

Der Süden Israels kämpft im brennenden Nahen Osten um sein Image als Urlaubsziel. Auf der Eilat-Werbe-Tagung hofierte man vor allem die Reiseveranstalter aus dem Osten

Als der Algerier Kader Ziriat mit der Ukrainerin Irina Markova zu den Klängen von „Hevenu Schalom Aleichem“ im Royal Beach-Hotel in Eilat die Hora tanzte, hätte das unter normalen Umständen ein gutes Omen für die übernächste Tourismussaison in dem südisraelischen Badeort sein können. Ziriat, Algerien-Emigrant und Mitarbeiter einer Londoner Travel-Organisation, und Markova, Vertreterin eines Reisebüros in Kiew, waren zwei unter den 214 Delegierten aus 15 Staaten, die Ende November zur dreitägigen Eilat-Werbe-Tagung für den Winter 2001/2002 anreisten, obwohl der Nahe Osten wieder mal brennt. Ziriat war der einzige Araber, denn Jordanier und Ägypter hatten in Solidarität mit den Palästinensern abgesagt. Irina Markova gehörte der mit 40 Teilnehmern stärksten Delegation aus den GUS-Staaten an, vor Frankreich mit 35 und England mit 30 Teilnehmern.

„Es wäre sehr dumm gewesen, das Treffen ausfallen zu lassen“, erklärte Israels Tourismus-Minister Amnon Lipkin-Schahak. Und: „Eilat ist von der Intifada in Bethlehem, Ramallah und Gaza weit entfernt. Sobald die Unruhen abflauen, wird Normalität einkehren. Auch nach dem Golfkrieg von 1991 dauerte es nur wenige Monate, bis der Tourismus sich erholte.“

Das Eilat-Marketing wurde zum 20. Mal vom Tourismus-Ministerium, der Hotel-Vereinigung, der staatlichen Fluggesellschaft El Al und den Charterflug-Firmen Arkia und Isra-Air ausgerichtet. „Wir haben Package-Verträge diesmal nur mit Schweden, Finnen und Dänen unterzeichnen können“, gestand Aharon Dekel, Chef der Hotelvereinigung. „Das liegt teilweise an der politischen und militärischen Lage in der Region, aber auch an der 22-prozentigen Entwertung europäischer Währungen gegenüber dem Dollar, über den unsere Deals berechnet werden.“

Insgesamt sind die jüngsten Unruhen für Israel – und für die Palästinenser – eine touristische Katastrophe. Seit zwei Monaten traut sich kaum noch jemand nach Jerusalem oder Bethlehem. Nachdem das US-State Department Amerikaner im Oktober vor Reisen in den Nahen Osten warnte, haben 700.000 Touristen ihre Israel-Reise verschoben oder gestrichen. Auch das 300 Kilometer vom Zentrum entfernte Eilat bekommt die Krise zu spüren. „Im Sommer waren hier sogar Touristen aus Ägypten, Jordanien und den Golfstaaten Katar und Abu Dhabi“, berichtet Ami Ben-Zvi, Besitzer einer Tauchschule. „Die ersten neun Monate des Jahres waren fantastisch. 15 Prozent neue Arbeitsplätze konnten geschaffen werden. Aber seit zwei Monaten erleidet Eilat einen Rückgang von fast zwei Dritteln der ausländischen Besucher. Auf der Landkarte, die europäische Medienkonsumenten konsultieren, ist auch Eilat nur einen Steinwurf von der Intifada entfernt.“

Betroffen sind außer den 44 Hotels mit 10.000 Zimmern auch Restaurants, Pubs und Nachtclubs, Souvenierläden, Fremdenführer, Kellner und Köche, Zimmermädchen und Entertainer. Man hatte große Pläne in Eilat: Verlängerung der Strandpromenade, Ausbau der Lagune, des Yachthafens, Bau eines neuen Flughafens, eines Bibelparks, Verbesserung des Straßennetzes und des Abwassersystems. Das ist auf Eis gelegt, die touristische Zukunft ungewiss.

Geblieben sind Sonne, lauwarme Fluten, leuchtend rote Berge, milde Nächte und ein Kolossalangebot an Attraktionen – von Korallenriffs und Delfinen über Ballonfahrten bis hin zu Wüstentouren mit Jeeps und Kamelen. In diesen Tagen, in denen Israelis sich aus Angst vor Arabern nicht mal mehr auf die ägyptische Sinai-Halbinsel trauen, flüchten hauptsächlich sie, von Sonderangeboten gelockt, aus dem Intifada-gestressten Norden ans Rote Meer. „Eilat kann für Israelis eine Alternative zur Türkei, zum Sinai und anderen ausländischen Zielen werden“, glaubt Eilats Bürgermeister Gabi Kadosh. „Überdies sollten wir neue Besuchermärkte auftun.“

Gute Idee. Während auf der Tourismusbörse, bei Gala-Diners fast ausschließlich Businesskärtchen ausgetauscht wurden, blieb Yair Hendl vom israelischen Reisebüro „Rechovotours“ gut gelaunt. Hendl hat die Nische bereits entdeckt: Tourismus „aus dem Osten“. Er bringt Pilgergruppen aus Russland, Polen, Ungarn, der Tschechischen Republik, aber auch aus Ostafrika, Indien und Sri Lanka nach Eilat. „Das sind Leute, die den westeuropäischen und amerikanischen Medien weniger ausgesetzt, wohl aber so gläubig sind, dass sie im Heiligen Land auf den Schutz Gottes vertrauen.“ Das größte Potenzial sieht Hendl in den GUS-Staaten unter den „neuen reichen Russen“, die gern vor ihren eigenen Krisen flüchten. Erstmals hörte man in Eilat von Plänen, Direktflüge – eventuell per Linie – aus Moskau, Warschau und Prag zu eröffnen.

ANNE PONGER