: Bosse sagen: „Tschüss, Herr Kaiser“
■ Trotz Booms in der Versicherungsbranche: Die Hamburg-Mannheimer baut bis 2004 jeden dritten Arbeitsplatz ab
Für die Gewerkschaft Handel Banken und Versicherungen (HBV) kommt die Hiobsbotschaft nicht überraschend. Trotz eines erwarteten Jahresüberschusses von rund 150 Millionen Mark sollen bis zum Jahr 2004 bei der Hamburg-Mannheimer Versicherung (HM) 1000 Arbeitsplätze – davon allein 700 in der Konzernzentrale in der City Nord – gekillt werden. HBV-Sprecher Wolf-Rüdiger Felsch schwant noch Schlimmeres: „Durch diese Maßnahme könnte in der gesamten Versicherungsbranche eine Lawine losgetreten werden.“
Die Branche boomt im Moment, die Konzerne schwimmen im Geld, es werden Umsätze erzielt, die den bundesdeutschen Haushalt bei weitem überschreiten. Trotz satter Gewinne wächst laut HBV die „Gier der Großunternehmen“. Bereits vor drei Jahren wurde durch die Fusion der HM, DKV, DAS und Viktoria-Versicherung unter dem Dach der Düsseldorfer Ergo-Gruppe ein weiterer Grundstein dafür gelegt, das Versicherungsgeschäft unter den Giganten aufzuteilen. Ergo ist ein Geflecht aus Münchner Rück und der Allianzversicherung sowie des Aachen-Münchner Konsortiums.
Schon damals äußerte die HBV die Befürchtung, dass durch die Konzentration bald das Aus für die HM-Zentrale drohen könnte und somit Personalabbau forciert werde. Obwohl die Ergo-Gruppe nach den Angaben ihres Vorstandschef Lothar Meyer für dieses Geschäftsjahr laut dpa einen Überschuss von 1,4 Millarden Mark erwartet, soll nun bei der HM-Tochter heftig an der Personalkostenschraube gedreht werden, um den Aktionären noch sattere Dividenden zu bescheren. Zudem soll den 2400 Mitarbeitern offenkundig verdeutlich werden, sich mittelfristig neue Jobs zu suchen. Denn die Zeiten des „Herrn Kaiser“ seien vorbei, mehr und mehr sollen Policen über das Internet vertrieben werden.
Um dem Jobkilling zu begegnen, strebt die HBV nun ein Qualifizierungsmodell für die gesamte Branche an. „Wer sagt uns, dass die Vofü oder andere Konzerne nicht nachlegen“, mahnt Felsch. Die ehemals gewerkschaftseigene Volksfürsorge in Hamburg gehört inzwischen zur Aachen-Münchner. Mit so einem von den Konzernen finanzierten Modell sollen den Beschäftigten „Lösungen in anderen Tätigkeitsfeldern und Branchen eröffnet werden“, so Felsch: „Das ist eine wichtige gewerkschaftliche Aufgabe, auf so etwas müssen wir zusteuern und dürfen die Betriebsräte damit nicht alleine lassen.“ Für einen Qualifizierungstarifvertrag könnten die Gewerkschaften bereits nach der HM-Betriebsversammlung am Freitag zum Arbeitskampf blasen. Kai von Appen.
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