: Listen und Wünsche
Klaus Modick hat mit „Vierundzwanzig Türen“ eine Weihnachtsgeschichte als Adventskalender geschrieben
Dies ist ein richtiger Schmöker: Die Geschichte läuft runter wie Weihnachtsbier. Wobei der Autor das Wort Schmöker weniger mit Trinken denn mit Schmöken, also mit Rauchen, assoziiert. Schmökern, das hat für ihn etwas mit Brennen zu tun, es erinnert ihn an seine Kindheit, „als ich noch las, ohne zu verstehen, und auch eigentlich noch nicht verstehen wollte“. Ein seliger Zustand, gewiss, aber ein Zurück gibt es später nicht mehr und es ist wohl auch nicht wünschenswert. Diese Einsicht, die auch auf andere Bereiche übertragbar ist, hat den Autor vor allerlei Missverständnissen bewahrt.
Klaus Modick, den man sich gewiss als durchaus furchtlosen Mann vorstellen muss, hat einen Weihnachtsroman geschrieben und ihm ohne Wenn und Aber die Form eines Adventskalenders gegeben: Hinter 24 Türchen eröffnen sich dem Leser 24 Geschichten. Sie erzählen von einem jungen Mann, der kurz nach Kriegsende in einen Kunstraub und diverse Schwarzmarktgeschäfte verwickelt war – eine Mischung aus Krimi und Holy Night, in der drei abgehalfterte Hehlerkönige im Haus einer hochschwangeren Frau vor einem Schneesturm Zuflucht finden. Das ist das eine.
Das andere spielt sich zwischen Oasis, Basketball AG und besetzten Badezimmern ab. Der Vater leidet, die Mutter beschwichtigt, derweil ihre pubertierenden Töchter, die Adventskalender „so was von mega-out“ finden, Schminkorgien feiern und ihre Wunschliste mit teurem Modeschnickschnack füllen. Unschwer ist dabei die Romanfamilie als Familie Modick aus dem Oldenburgischen zu erkennen.
Nun ist Klaus Modick aber nicht nur furchtlos, sondern auch klug, was wir unter anderem von seinen Essays wissen, die er über Literatur geschrieben hat. Und deshalb konnte er sich unmöglich mit diesen beiden konventionellen Erzählebenen begnügen. Also geht es neben den Geschichten vom Damals und vom Heute eben auch um ein Thema, das ihn bereits in seinem ersten erfolgreichen Roman, „Das Grau der Karolinen“, vor nunmehr 15 Jahren beschäftigt hat: um die Macht, die ein Bild auf seine Betrachter ausübt. In diesem Fall nun sind es die 24 Bilder des Adventskalenders, die bei den verschiedenen Menschen sehr unterschiedliche Assoziationen hervorrufen und den Vater zu Recht zu ausgiebigen mentalen Ausflügen in die eigene Kindheit anstacheln.
Und so ist peu à peu eine Geschichte über die Bilder entstanden, die sich die Menschen von Weihnachten machen oder eben auch auf keinen Fall mehr machen wollen – was am Ende ziemlich aufs Gleiche rausläuft. Das ist kunstvoll und leicht zugleich, wird manchmal allerdings von merkwürdig dozierenden Passagen unterbrochen. Da wünschte man sich, Modick hätte mit etwas mehr Ausdauer in seine historische Kalendergeschichte investiert. Und doch: Bedenkt man, wie ruiniert das Weihnachtsgenre ist, dann hat er sich mit diesem freundlichen Schmöker wacker geschlagen.ANGELIKA OHLAND
Klaus Modick: „Vierundzwanzig Türen“. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2000. 283 Seiten, 39,80 DM
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