Planet Tegel mit Trabant

Das seit zwei Jahren im Gefängnis Tegel bestehende Internetprojekt intensiviert den Austausch mit draußen. Aber: Für 1.600 Gefangene gibt es nur zwei Computer

Ungewöhnliche Töne waren am Montagabend in der Justizvollzugsanstalt Tegel zu hören: Fette Bässe schallten über einen Innenhof von Deutschlands größtem Gefängnis.

Anlass für die Club-Musik war die Vorstellung eines ebenfalls ungewöhnlichen Projektes: Die Theatergruppe „Aufbruch“, der Verein „Kunst & Knast“ und Designer der Künstlergruppe „Garderobe23“ haben zusammen mit etwa 30 Häftlingen eine Weiterentwicklung ihres vor zwei Jahren gestarteten Projektes www.planet-tegel.de vorgestellt. Die Website gibt Außenstehenden per virtueller „Einlassverfügung“ einen wirklich gut gemachten Einblick in die Gefängniswelt. Die Idee damals war, der Welt draußen per Cyberspace einen Einblick in die von Mauern umgebene Gefängniswelt zu geben.

Nun hat der virtuelle Durchbruch eine Erweiterung erfahren: der „Planet“ Tegel bekam einen „Trabanten“. Bei dem neuen Projekt unter www.trabant-tegel.de geht es darum, per E-Mail einen direkten Kontakt zwischen drinnen und draußen zu schaffen. Auf der neuen Website erzählen Gefangene unter Stichwörtern wie „Visionen“, „Happiness“ oder „Time-out“ über persönliche Dinge wie den Besuch der Freundin, die Schwierigkeiten, eine Frau zu finden, über den Selbstmord von Mitgefangenen oder den Drogenkonsum hinter Gittern. Geplant ist eine Etablierung als Online-Magazin.

Doch der erweiterten virtuellen Freiheit sind Grenzen gesetzt. Zwar können die Gefangenen eingehende E-Mails ohne Zensur beantworten, aber der Zugang zum Medium Internet ist schwer. Weil den etwa 1.600 Gefangenen gerade mal zwei Computer zur Verfügung stehen, die nur zwei Mal in der Woche für jeweils zwei Stunden genutzt werden können, sind die Wartezeiten sehr lang.

Damit Gefangene die eingehende Post möglichst schnell beantworten können – schon vor dem Start kamen 50 Mails pro Woche –, muss sich nach Einschätzung von Jörg Heger, einem der Initiatoren, einiges ändern. So hofft er, dass die Anstaltsleitung den Computerraum für die zehn Gefangenen, die am Projekt mitarbeiten, täglich öffnet.

Endziel des Internetprojekts ist nach wie vor die aktive Online-Nutzung durch die Häftlinge. Nur: Die Anstaltsvorschriften geben so viel Freiheit nicht her. „Für uns ist das schon komisch, eine Internetpräsentation vorzubereiten für Leute, die das Netz gar nicht nutzen können“, kritisiert einer der Mediendesigner der Künstlergruppe „Garderobe23“.

Der Gefangene Rudi schließt sich dieser Kritik an. Beide sind sich aber einig, dass das Projekt ein „weltweit einmaliger Schritt“ in die richtige Richtung sei. „Ich lobe das Internet, dort kann ich mich austauschen, Kommunikation halte ich für das oberste Gebot“, erzählt Rudi. Allerdings stört ihn, dass viele der Gefangenen keine Chance haben, das Angebot zu nutzen. Während Rudi das Engagement der Initiatoren „bewundernswert und einmalig“ findet, hofft er, dass das Projekt nicht „über die Scheiße hinwegtäuscht, die hier im Knast so passiert“. ULF SCHUBERT