normalzeit
: HELMUT HÖGE über Portalkunst

Ethik des Engagements

Vom erweiterten Forschungsbegriff des einstigen „Fischbüros“ in der Kreuzberger Köpenicker Straße über den „Friseur der Botschaft“ in Mitte und das NGBK-„Projekt ‚baustop randstad‘ “, das sich wiederum zu den Buchläden „pro qm“ und „b-books“ ausfächerte, gibt es eine oder mehrere Verbindungen a) zur „Aroma“-Galerie in der Grolmanstraße, wo die Kulturwissenschaftler der Humboldt-Universität zuletzt Baudrillards „Das Jahr 2000 findet nicht statt“ lasen; b) zur Koch-Galerie in der Schröderstraße sowie c) zur Medizin-Galerie in der Ackerstraße.

In diesen drei Läden – mit Schreibtischen und sonstigem Seriös-Equipment ausgerüstet – geht es um etwas anderes als um Kunst. Im Internetjargon ist das Ladenbüro in der Ackerstraße ein „Medizin- und Gesundheitsportal“. Das Eingangsportal für die seit der Wende wiedervereinigten „Enkel der Peenemünder“ in Adlershof wird – übrigens – gerade von Albert Speer junior (wieder) neu gestaltet.

Bei den Medizinern hielt neulich der Künstler Klaus Heid einen sehr schönen, Overheadprojektor-gestützten Vortrag über „Heilkunst“. Ich kannte ihn bisher nur als Autor des sibirischen Khuza-Volk-Fakes in der „7 Hügel“-Ausstellung. Die Debatte darüber hat inzwischen das Badische Landesmuseum als neuen Katalog zur „Khuza-Kultur“ veröffentlicht. In seinem Vortrag schlug Heid einen eleganten Bogen von dieser seiner suggestofiktiven Musealisierung zu den „Risiken und Nebenwirkungen des Kunstbetriebs“ überhaupt, die er ganz konkret – bis hin zu Kopfschmerzen und Kater – auflistete und wogegen er dann auch sogleich eine Reihe von Kräutertees empfahl, die er nicht nur in ihrer Wirkung einzeln erklärte, sondern auch – in praktischen 50-Gramm-Beuteln – gleich mit dabeihatte, so dass man sie für wenig Geld kaufen konnte. Dazu konnte man außerdem noch seine Broschüre über Leben und Werk des Naturheilkundlers Artur Kling erwerben. Die Kräutertees sind der Forschung Klings zu verdanken, der 1933 auf einer Reise zum Rhonegletscher auf mysteriöse Weise ums Leben kam. „Angeblich“, wie die Süddeutsche Zeitung hinzufügen würde, die ihren Berlin-Praktikanten zur Medizin-Galerie „www.m-ww.de“ geschickt hatte.

Praktisch war auch, dass der Kasseler Verleger Martin Schmitz unter den Zuhörern saß, denn der hatte den gesamten Heid-Vortrag über „Heilkunst“ bereits als Buch mit dabei. Weil ich ihm versprechen konnte, diesen Abend nicht unerwähnt zu lassen in meiner Kolumne, bekam ich von ihm ein Exemplar geschenkt.

Auf den Referenten Klaus Heid folgte – quasi ebenfalls zum Thema „Heilkunst“ – ein französischer Soziologe, David Delsart, der sich jetzt in Berlin als „Weinvermittler“ und „-analytiker“ durchschlägt. Bei 7 auserlesenen Weinproben, wozu ausreichend Käse und Brot gereicht wurde, erfuhren wir interessante Geschichten über französische Weinbauern. Ergänzend dazu verteilte David noch ein 15-seitiges Papier. Und so war es insgesamt ein rundum gelungener Abend.

Der Verleger von Klaus Heid, der auch Verleger von Island-Müller ist, wies mich am Schluss noch darauf hin, dass er eine CD von Wolfgang Müller im Angebot habe, auf der sich ein isländisches Loblied auf den Wein befinde, das nach der Melodie der haydnschen Deutschlandhymne gesungen werde. Weil ich so interessiert tat, bekam ich das Machwerk geschenkt – obwohl ich gar keinen CD-Player habe. Auch Wolfgang Müller mit seiner Islandforschung – demnächst eröffnet er an prominenter Berliner Adresse sogar ein isländisches Goethe-Institut im Exil – hat die Kunst gewissermaßen hinter sich gelassen – ihr Portal. Insofern hätte er gut an dem Abend dort hingepasst.