: Spar-Mobbing mit Methode
Wieder einmal streiten sich Ärzte und Bundesgesundheitsministerin über das Arzneimittelbudget. Die Ärzteschaft hat Fischer zur Zielscheibe im Wahlkampf erkoren und ruft wieder einmal zum Aufstand gegen den Sparkurs der grünen Ministerin auf
von ANNETTE ROGALLA
In den vergangenen Monaten haben die Ärzte ein gewagtes Doppelspiel vorgeführt. Tagsüber protestierten sie kamerawirksam gegen die Gesundheitspolitik, parallel dazu verhandelten sie in aller Stille mit Vertretern des Bundesgesundheitsministeriums über die Frage, wie das leidige Arzneimittelbudget einzuhalten sei. Ein gemeinsames Papier mit konkreten Lösungsvorschlägen war schon erarbeitet. Doch das gilt jetzt nichts mehr.
Wenige Wochen vor ihren Vorstandswahlen im Januar wollen die Ärztefunktionäre nichts mehr von einer Einigung wissen. Ab sofort beginnt wieder das beliebte Hauen und Stechen.
Die Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des Ministeriums hatten sich auf einen Elf-Punkte-Plan verständigt, um die Ausgaben für Arznei- und Heilmittel im vorgeschriebenen Rahmen zu halten. So war etwa vorgesehen, dass die jeweilige regionale KV diejenigen Ärzte, die ihre Ausgaben nicht im Zaum halten können, intensiv und kontinuierlich berät. Diese simple Methode praktizieren bereits heute einige KVen sehr erfolgreich. So bleibt etwa die KV Südbaden dank der guten Ärztebetreuung um fast 12 Prozent unter ihrem Budgetvorgaben – ohne dass die Patienten dort schlechter versorgt würden. Doch die meisten der 23 KVen begreifen dieses Ergebnis erfolgreichen Controllings keineswegs als Ermunterung. In Berlin etwa, das 1999 mit 12,7 Prozent an der Spitze der Budgetüberschreitungen lag, ist dieses Verfahren keineswegs Pflicht.
Auch die anderen Einsparüberlegungen bestechen. Ursprünglich sollten Praxen, die sich bestimmten Schwerkranken wie etwa Aids-Patienten widmen, mehr Geld für Medikamente ausgeben dürfen.
All diese Ideen sollen nun nicht mehr gelten. Am vergangenen Samstag kassierte die Vertreterversammlung der KBV das Papier kurzerhand. Der Ton wurde rauer. KBV-Chef Manfred Richter-Reichhelm fand über Nacht zur altbekannten Rhetorik zurück. „Wir werden nicht lockerlassen, bis diese Budgets beseitigt werden“, rief er seinen Kollegen zu.
Andrea Fischer reicht es nun. „Wir sind ziemlich sauer über dieses Ergebnis“, ließ sie gestern über ihren Parlamentarischen Staatssekretär, Erwin Jordan, ausrichten. Das Spar-Mobbing hat Methode. Neben Arbeitsminister Walter Riester (SPD) hat die Opposition Fischer zur Zielscheibe im Wahlkampf auserkoren. Union und FDP wollen die Gesundheitspolitik zum Thema machen – Seite an Seite mit der Pharmaindustrie und den Ärzten.
Jordan drohte den widerspenstigen KVen gestern damit, Staatskommissare ins Haus zu schicken. Diese könnten notfalls mit Zwangsmaßnahmen dafür sorgen, dass die Budgets eingehalten werden. Die Sache hat nur einen Haken: Nicht die Bundesgesundheitsministerin setzt solche Kommissare ein, sondern die jeweiligen Ländergesundheitsminister. Andrea Fischer wird in den kommenden Monaten gerade die Unterstützung aus den Reihen der SPD brauchen.
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