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Geprüft elternfreundlich

Arbeiten und Kinderhaben unter einen Hut zu bringen soll nicht länger nur Müttersache sein. Damit dieses Vorhaben gelingen kann, bietet die gemeinnützige „Beruf & Familie“ GmbH eine Firmenberatung an

von SYLVIA MEISE

Mehr Kinder! Wünschen sich die Politiker jetzt von ihrem Volk, haben aber erst spät begriffen, dass dafür der Spaßfaktor nicht ausreicht. Familie werden heißt: mehr Geld verbrauchen, weniger zur Verfügung haben – ein „sozialer Abstieg“ für die meisten. Dennoch rangieren nach einer Umfrage der gemeinnützigen Hertie-Stiftung „Partnerschaft“ und „Kinderwunsch“ auf der Werteskala noch vor „Erfolg im Beruf haben“. Diesen Trend beobachtet man in den Personalabteilungen schon seit ein paar Jahren. Trotzdem hat diese Erkenntnis in den meisten Betrieben noch nicht dazu geführt, dass Unternehmens- und Mitarbeiterinteressen auf die gleiche Stufe gestellt werden.

Man muss ja nicht immer warten, bis der Personalchef aktiv wird“, sagt Stefan Becker, der Geschäftsführer von „Beruf & Familie“. Die gemeinnützige GmbH, eine Tochtergesellschaft der Hertie-Stiftung, berät und unterstützt Arbeitnehmer, die selbst Ideen haben, wie man Familie und Beruf unter einen Hut bringen könnte. Schon kleine Lösungen, betont Becker, können zur Entspannung des Betriebsklimas beitragen. Aber eigentlich sind die Arbeitgeber seine Klientel. Gemeinsam mit den Firmen wird eine Ist- und Bedarfsanalyse erarbeitet. Legt der Betrieb einen realistischen Maßnahmenkatalog vor, bekommt er das Grundzertifikat und nach drei Jahren und einer Überprüfung das Hauptzertifikat „Audit Beruf und Familie“.

Dreißig Firmen haben bisher an der Auditierung teilgenommen – darunter Banken, ein evangelisches Krankenhaus und Pharmabetriebe. „Gute Vorsätze gehen oft im Tagesgeschäft wieder unter“, sagt Wolfgang Ebster. Damit genau das in seinem Betrieb nicht passiert, hat er seine Softwarefirma Proleit auditieren lassen. Er glaubt: „Eine dauerhafte Verbesserung kann es nur geben, wenn die Thematik institutionalisiert wird.“

Stefan Becker hat die Erfahrung gemacht, dass große Firmen wie Siemens oder die Hypo Vereinsbank meist schon frauenfördernde Strukturen geschaffen haben und das Audit als zusätzliches personalpolitisches Instrument nutzen. Dass auch mittelständische Unternehmen teilnehmen, freut ihn deshalb besonders, denn die betreten unbekanntes Terrain. „Dabei“, sagt er, „sind die Maßnahmen billiger und effektiver, als man denkt. Und das ist für Personalchefs meist das entscheidende Argument beim Vorstand.“ Derzeit wird das Audit noch von der Hertie-Stiftung subventioniert, die Teilnahme kostet je nach Unternehmensgröße etwa 5.000 bis 15.000 Mark.

Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gehört zu den Großen unter den Pionieren. „72 Prozent unserer Mitarbeiter“, sagt Henri Mahlendorf aus der Personalabteilung, „sind Frauen. Wenn wir denen nichts bieten können, finden die auch andere Arbeitsplätze.“ Hier hat ein Umdenken stattgefunden. Im Übrigen haben aber auch die Mitarbeiterinnen Druck gemacht.

Zum Beispiel Martina Brückner-Starke. Die Juristin gehört zu den ganz wenigen Frauen in Führungspositionen, die Kinder haben und Teilzeit arbeiten. Den Schreibtisch teilt sie mit einem Kollegen, der Altersteilzeit beantragt hatte. Mit ihrem Montag-bis-Mittwoch-Modell ist sie sehr zufrieden. Am Anfang haben die Mitarbeiter noch geglaubt, sie könnten die beiden gegeneinander ausspielen: Dies und jenes hätte der Kollege bereits zugesagt . . . Aber die Teilzeitchefin war bereits informiert und wusste: Stimmt alles gar nicht. „Der Informationsfluss klappt gut“, sagt sie und grinst. „Zu gut, wie manche finden.“ Im Prinzip sei jede Stelle teilbar, diesen Spruch habe einer der Geschäftsführer schon seit Jahren auf Lager. „Jetzt kommt er immer gucken, ob das auch tatsächlich klappt.“

Einziger Nachteil: Nicht jeder und nicht jede kann sich Teilzeit leisten. Schließlich verdient eine Sekretärin nur die Hälfte der 4.500 Mark, die bei Brückner-Starke monatlich aufs Konto gehen. So strickt sich jeder ein Privatmodell: Bei der BfA gibt es 330 verschiedene Teilzeitvereinbarungen.

Der allein erziehenden Jacqueline Meier-Tiez allerdings hilft keine dieser Teilzeitvarianten. „Was hier fehlt, ist ein Betriebskindergarten“, moniert sie. Trotzdem zählt auch sie zu denjenigen, die vom Audit profitieren. Zum Beispiel als ihre Mutter, die bisher nachmittags ihre Jüngste betreute, kurzfristig ins Krankenhaus musste. Schlimm genug, aber dank Eltern-Kind-Arbeitszimmer für die zweifache Mutter kein Grund, Urlaub zu nehmen. „Man muss nur seine Akten mitnehmen, das ist ein ganz normaler Computerarbeitsplatz.“ Allerdings einer mit Blick auf Matratzen, Maltisch und Miniküche. Keine Dauerlösung, aber „genau richtig“, findet sie, bis etwas Neues gefunden und organisiert ist. „Auch ein Vater war schon mit seinem Kind da.“

Auch ein Vater! Pionier unter Pionieren. Familienfreundlich ist ja schon viel, väterfördernd aber Europas neuestes Schlagwort. Klar, wer Worte wie „Gender-Mainstreaming“ prägt und damit die Gleichstellung von Männern und Frauen in allen Bereichen fordert (so jedenfalls steht es seit 1996 im Amsterdamer Vertrag), der meint eben nicht nur Mütter. Die raue Wirklichkeit indes steht dem bisher noch deutlich entgegen: Lediglich 1,5 Prozent aller deutschen Väter beantragen Erziehungsurlaub. Seit Jahren. Zu gerne würde Bundesfamilienministerin Christine Bergmann daran kratzen – allein schon um im europäischen Wettbewerb nicht mehr hinterherzuhinken. Also erhielt der diesjährige Wettbewerb um den „familienfreundlichen Betrieb“ das Motto „Väterförderung“.

Die Teilnahme allerdings fiel mager aus: Aus nur siebzig Bewerbern wurde der Gewinner ermittelt. Becker bleibt trotzdem optimistisch: „Nicht die Zahl ist entscheidend, sondern die Tatsache, dass es funktionsfähige Modelle gibt.“ Und die könnten wiederum für andere Vorreiterfunktion haben.

Beeindruckt hat Becker die Kreativität der beteiligten Unternehmen. Etwa die Freistellung der Eltern von der Arbeitszeit je nach Alter ihrer Kinder für sechs, vier oder zwei Stunden in der Woche – und das bei vollem Lohnausgleich. Oder das Zeitmanagement, das eine Beraterfirma ihren meist männlichen Angestellten anbietet: Es gebe dort viele, von den Kunden vorgegebene familienzeitfeindliche Außendiensttermine, die als Arbeitsfixum abgeleistet werden müssten, erzählt Becker. Als Entschädigung sieht der Arbeitgeber die übrigen Bürozeiten weniger eng. Entscheidend sei nicht die abgesessene Zeit, sondern das Arbeitsergebnis, so steht es im Auditkonzept des Betriebs.

Ab 2001 können die Väter zeigen, was sie wollen. Gerade wurde eine Gesetzesreform zu Erziehungsgeld und -urlaub verabschiedet. Neu daran: Die Eltern können gleichzeitig „Erziehungszeit“ nehmen, und dabei darf jeder bis zu dreißig Wochenstunden arbeiten, so dass ein Elternpaar zusammen auf sechzig Wochenstunden kommen kann. Vorher durfte nur abwechselnd und dann maximal je bis zu neunzehn Wochenstunden gearbeitet werden. Und wenn Familienkatastrophen in Form kranker Tagesmütter lauern? Dann müsse man Hilfe einfordern, empfiehlt Becker: zum Beispiel die Zeitflexibilität à la BfA.

Auch vom Chefsessel aus macht die Sache Sinn. „Haben die Mitarbeiter Stress mit ihren Partnern“, das sieht der vierzigjährige Ebster ganz pragmatisch, „dann sind sie nicht so produktiv.“ Beim Mittelständler Proleit arbeiten hauptsächlich Männer, Durchschnittsalter 33 – Erziehungsurlaub ist hier kein großes Thema. Aber: Die EDV-Spezialisten sind so häufig unterwegs, dass deren Partner schon mal knatschig werden. Außerdem gehört die Firma zum Green-Card-Bereich und kann es sich nicht leisten, gute Mitarbeiter zu verlieren. Ein Jahr dauert die Einarbeitung. Da überlegt Familienvater Ebster lieber schon im Vorfeld, wo es bei seinen Angestellten Probleme geben könnte.

Peter Stingl leitet firmenintern das Auditprojekt. „Es betrifft eigentlich jeden“, meint er: „Manchmal bin ich wochenlang vor Ort beim Kunden.“ Will heißen: Frau und Kinder sind allein zu Haus. Was die Frau von seinen Einsätzen hält, beantwortet er einsilbig: „Natürlich kommt da Unzufriedenheit auf.“ Das lasse sich auch nicht ändern, wohl aber abmildern. Eine der Audit-Neuerungen im Betrieb heißt Einkaufsservice. Mit dem Metzger vor Ort hat der Betrieb eine Vereinbarung getroffen: „Bestellt wird per Fax, die liefern in die Firma, und ich nehme es dann mit.“ Auch Stressseminare und Wäschedienst bietet Ebster an, um die Mitarbeiter zu entlasten.

Die größten Renner sind bisher Sprachkurse und Rückenmassage. „Da haben sie alle Zeit“, sagt er und lacht. „Im Moment“, assistiert Stingl, „geht es noch nicht so sehr um die Ideen selbst, sondern um die gangbaren Wege: Was ist alles möglich?“

SYLVIA MEISE, 39, lebt als freie Journalistin in Frankfurt am Main

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