„ ... damit die Haut des Vogels schön kross wird“

Spitzenkoch Stephan Voshage über ganze und tranchierte Gänse in Ofen und Kochtopf

taz: Weihnachtsgänse sind meist zu trocken gebraten, die Sauce ist zu fett, die Füllung naja. Worauf kommt’s an?

Stephan Voshage: Die angebotenen Gänse sind sehr verschieden. Man muss Alter und Mastmethode kennen. Die gute alte Hafermast ist ideal. Am zartesten schmecken junge, leichte Frühmastgänse. Ein als „junge Gans“ angebotenes Tier darf maximal zehn Monate alt sein, eine „Frühmastgans“ nur zwölf Wochen. Wenn eine Gans älter ist, wird ihr Fleisch zäh.

Meist wird die Gans gefüllt und im Ganzen gebraten. Wäre ein tranchierter Vogel nicht besser?

An Weihnachten will der Küchenchef mit stolzer Brust sein Festmahl präsentieren. Da sieht es schöner aus, wenn der Riesenvogel unversehrt aufgetragen wird. Sonst würde es sich tatsächlich anbieten, die Gans zu tranchieren.

Mit eigenen Garzeiten?

Die Brust kann man beinahe wie ein Steak behandeln und schön rosa lassen, also von allen Seiten scharf anbraten und im Backofen langsam gar ziehen. So bekommt man ein tolles saftiges Stück. Das geht beim ganzen Vogel nicht. Die Keulen sollte man schmoren.

Was ist mit der berühmten Niedrig-Garmethode: den Ofen auf 90 Grad stellen und dann sechs Stunden mit der Nachbarin schmusen?

Das funktioniert bei der Gans nicht. Wenn man den Vogel im Ganzen brät, muss die Temperatur höher sein, um das Tier richtig gar zu kriegen. Das Fleisch ist einfach zu fest. Das heißt nicht, dass ich mit 250 Grad immer volles Rohr heize. 150 Grad reichen, dann wird das Fleich deutlich zarter. Nur am Schluss würde ich den Ofen hochschalten, damit die Haut kross wird.

Haben die Deutschen vergessen, dass man Gänse auch kochen kann?

Die Variante kommt aus Frankreich. Mit Reis und einer Meerrettichsoße ist das eine gute Alternative. Dazu muss die Gans aber tranchiert werden.

Die Füllung der Gans ist ein anderer heikler Punkt.

Die Bratwurst-Farce ist heute nicht mehr aktuell. Man sollte Äpfel und kleine Zwiebelchen nehmen. Das schmeckt lecker, wenn ich die gebacken zum Braten serviere. Wichtig ist auch der Beifuß. Der macht das Gänsefett verträglicher.

Gänse sind massiv fett. Deshalb ist eine gute Soße schwer hinzukriegen.

Man muss im Extratopf eine Soße ansetzen mit angeröstetem Wurzelgemüse und Tomatenmark. Das lösche ich mit Wein ab und koche es langsam ein. Wenn der Vogel fast fertig ist, hole ich ihn aus seinem Fond und setze ihn auf eine Platte zur finalen Bräunung im Ofen. Den Fond gieße ich dann in ein hohes Gefäß, so kann ich ihn leichter entfetten. Dann gebe ich den entfetteten Fond in meine vorbereitete durchpassierte Soße.

Ganz ehrlich: Was gibt’s bei Ihnen an Weihnachten?

Ganz ehrlich: Gans! Und zwar ganz! Dazu einen alten Toskaner aus den schönen Gläsern der Urgroßmutter. Ich freue mich riesig drauf.

INTERVIEW: MANFRED KRIENER