: Schrankwände im Reaktor
■ In Bremen soll aus altem Holz Energie gewonnen werden / Demo-Anlage zur „Hochtemperaturvergasung“ geplant / Sind Möbel und Bauschutt „Biomasse?“
Am Bremer Industriehafen soll eine Demonstrationsanlage zur Hochtemperaturvergasung von Biomasse gebaut werden. Dort will man aus Althölzern und später auch aus nachwachsenden Rohstoffen wie Schilf oder Stroh energiereiches Synthesegas gewinnen, das dann in Strom umgewandelt werden kann. Auf diesem Weg sollen Erdöl- und Erdgasvorräte geschont, die Kohlendioxidbelastung reduziert werden.
Die Bremer Sonderabfall-Beratungsgesellschaft, die das Konzept entwickelt hat, will jedoch auch ermitteln, wie sich belastete Holzabfälle und andere Problemstoffe – wie etwa Klärschlamm – verwerten lassen. Der Untersuchungsreaktor soll Planungsdaten für eine in Bremerhaven geplante Anlage liefern. Bremen bezahlt rund die Hälfte der Kosten des 2-Millionen-Mark-Projektes aus seinem ISP/WAP-Topf.
Die Besonderheit des Vorhabens: Es soll zeigen, dass auch kleinere Reaktoren mit einer Leistung unter fünf Megawatt wirtschaftlich arbeiten können. Da die Transportkosten für Biomasse relativ hoch sind, halten die Bremer Abfall-Berater nur dezentrale Anlagen für sinnvoll. Da in einem begrenzten Einzugsbereich jedoch nur recht geringe Mengen Biomasse anfallen, ist auch die Größe der Reaktoren limitiert.
Gemeinsam mit dem Umweltinstitut des Technologietransferzentrums an der Hochschule Bremerhaven ist es jetzt offenbar gelungen, einen praktikablen Reaktor zu entwicklen: Darin „verschwelt“ das Altholz bei 650 Grad Celsius. Das dabei entstehende Gas reagiert danach bei 1200 Grad Celsius mit Sauerstoff und wird mehrmals gereinigt. Staub, Teer und Kohlenwasserstoffe sollen wirkungsvoll abgebaut werden. Das Synthesegas ließe sich dann „mit sehr gutem Wirkungsgrad“ (bis 37 Prozent) in Gasmotoren verstromen, heißt es in einem Konzeptpapier.
Eine wichtige Frage ist jedoch, welche Materialien in den neuen Reaktoren verbrannt werden. Denn bis heute ist unklar, was Biomasse überhaupt ist. Eine entsprechende Verordnung ist im Bundesrat steckengeblieben. Besonders die Althölzer sind ein Problemfall: Schließlich sind es nicht nur Sägerei-Abfälle, die in Bremen in einer ersten Probephase genutzt werden sollen. Viele Hölzer – alte Möbel, Paletten, Abbruch et cetera – sind imprägniert oder anderweitig behandelt – laut BUND in Bremen bis zu 50.000 Tonnen jährlich, die auf der Deponie landen.
Kritiker befürchten nun, dass die Biomasse-Vergasung eine Art abfallrechtlicher Schleichweg sein könnte – vorbei an notwendigen Emissionsvorschriften. Am Industriehafen jedoch soll künftig die Rauchgasreinigung der benachbarten Anlage zur thermischen Bodenbehandlung (Umwelt Nord) zur Verfügung stehen. Diese wiederum profitiert vom Synthesegas der Demonstrationsanlage. hase
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