: Würdigung ausgeblieben
Historiker fordern öffentliche Ehrung für Erich Nelhans. Der erste Nachkriegsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde wurde im NS-Staat verfolgt und starb in sowjetischer Haft
Nachdem er jahrzehntelang nur einem kleinen Kreis von Mitgliedern der jüdischen Gemeinde und unter Fachhistorikern bekannt war, rückt der erste Nachkriegsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde jetzt zunehmend in den Blickpunkt der Öffentlichkeit:
Am Donnerstagabend gab es dafür am Ende einer Podiumsdiskussion in Prenzlauer Berg ihm zu Ehren ein sichtbares Zeichen: Überrascht stellten die versammelten Historiker fest, dass sich Erich Nelhans offenbar nur mit einem „h“ schrieb – nicht mit zwei, wie es selbst in der Einladung zur Diskussion hieß. Diese wurde veranstaltet vom „Verein Aktives Museum Faschismus und Widerstand“ sowie vom Kulturamt des Bezirks.
Die verbreitete Unkenntnis von Erich Nelhans’ Leben ist umso erstaunlicher, als sein Schicksal besonders tragisch ist: Der ehemalige Besitzer einer kleinen Druckerei und gläubige Jude konnte in der NS-Zeit in Berlin untertauchen. Knapp den Nazis entronnen, engagierte er sich für die aus den Konzentrationslagern nach Berlin kommenden Überlebenden der Schoah, geriet dabei aber an die Machthaber im sowjetisch besetzten Sektor der Stadt: Anfang August 1948 wurde Nelhans von einem Militärgericht zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt.
Man warf Nelhans antisowjetische Agitation und die illegale Gründung der Jüdischen Gemeinde vor. Besonders ins Gewicht aber fiel offenbar, so ergab die Diskussion der Experten, dass er sowjetischen Soldaten jüdischer Herkunft half, in die USA oder nach Palästina auszuwandern. Das Gericht wertete dies als Mithilfe zur Desertion. Wahrscheinlich 1953 starb Nelhans in sowjetischer Haft, erst 1997 wurde er rehabilitiert.
Seit Anfang der Neunzigerjahre setzen sich Nelhans’ Großneffen für eine öffentliche Ehrung dieser geschichtlichen Gestalt ein. Doch die schon seit Jahren in der Bezirksverordnetenversammlung von Prenzlauer Berg geäußerten Forderungen, Nelhans zumindest mit einer Gedanktafel zu würdigen, blieben bisher ohne Erfolg. Zwar wurde bereits beschlossen, ihn öffentlich zu ehren – doch bisher ist unklar, wie.
Ein Problem ist dabei offensichtlich, dass Gerüchte kursierten, sein Überleben der Nazizeit habe Nelhans unter anderem einer Kollaboration mit der Gestapo zu verdanken – Vorwürfe, für die jedoch nie ein Beweis erbracht wurde. Einhellig forderten deshalb die Historiker eine eingehendere Forschung über Erich Nelhans. Die Publizistin Annette Leo sagte: „Wir brauchen eine gesellschaftliche Auseinandersetzung über Erich Nelhans.“
PHILIPP GESSLER
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