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Radikaler Kurswechsel im Bremer Knast?

■ Roland Berger verteilt schlechte Noten für Vollzug / Ab 2005 sollen Knastneubau und Personalabbau Millionen sparen / Grüne warnen: Erst gründlich rechnen

Die Bremer CDU triumphiert. Ein jüngstes Roland-Berger-Gutachten zur Neuorganisation des Justizvollzugs bestätige „die jahrelange Forderung der Bremer CDU, dass der Ansprechpartnervollzug, wie er hier praktiziert wird, nicht aufrecht zu erhalten ist“. Mit solch vollmundigen Worten kommentierte der justizpolitische Sprecher der CDU, Frank Lutz, die Vorstellung des Gutachtens gestern im Rechtsausschuss der Bürgerschaft.

Nach Roland Berger soll künftig – statt verschiedener Standorte – ein großer neuer Zentralknast für alle 700 Bremer Gefangenen Geld sparen: rund 4,8 Millionen Mark jährlich, zumeist im Personal- und Betriebskostenbereich. Voraussetzung: Der alte Oslebshauser Knast würde verkauft, ein Neubau für 126 Millionen Mark von einem Inves-tor gebaut und im Leasing-Verfahren nach 30 Jahren an die Stadt übergehen. Kurzfristig bedeutet das: Der Knast im Blockland muss aufgegeben werden, die Jugendlichen müssen nach Oslebshausen und die Frauen in niedersächsische Gefängnisse umziehen. Mittelfristig gilt der Fortbestand der Bremerhavener JVA als unklar.

Für die Opposition warnte der justizpolitische Sprecher der Grünen, Hermann Kuhn: „Mit dem Neubau soll ein radikaler Wechsel des Strafvollzugs in Bremen einsetzen.“ Denn die Ersparnis, die den Neubau finanzierbar und rentabel machen solle, stamme „aus einem Stellenabbau von 30 Prozent der Bediensteten – bei einer Reduzierung von zehn Prozent der Haftplätze.“ Vor einer Entscheidung müssten alle Zahlen auf den Tisch. Die Sozialdemokraten nahmen den Berger-Bericht derweil schweigend „zur Kenntnis“. Im Januar werde die Fraktion darüber beraten. Es bliebe ja noch Zeit, bis das Gutachten und seine möglichen Folgen den Senat im März beschäftige.

Tatsächlich dürfte die Zurückhaltung der SPD-Abgeordneten andere Gründe haben. Das Gutachten stellt nämlich unter Kosten- und Effektivitätsgesichtspunkten nicht nur die Frage nach der Zukunft des Bremer Vollzugs. Es analysiert zugleich Mängel und Versäumnisse im Justiz-Ressort unter Henning Scherf (SPD). Erläuterungen zu relativ erhöhten Personalkosten durch dezentrale Vollzugseinheiten für Frauen, Jugendliche oder Männer oder hohe Energiekosten in den teils 150-jährigen Gemäuern klingen dabei noch übersichtlich. Klare Fragen an das Personalmanagement hingegen wirft das Gutachten dort auf, wo es das Fehlen ausreichender Führungsinstrumente, unflexiblen Personaleinsatz und ein nicht tragfähiges Betreuungskonzept diagnostiziert – sowie auch eine verbesserungsbedürftige Zusammenarbeit mit „Judit“, einem erst 1997 zur Effektivitätssteigerung gegründeten Eigenbetrieb der Justizverwaltung.

Dass „Judit“ weiterhin die Hand auf den Werkstätten sowie der medizinischen Versorgung halte, sei nicht ratsam, sagte denn auch der Berger-Vertreter im Ausschuss. „Hier muss die Anstaltsleitung die Aufsicht haben.“ Über das Ausmaß an mangelnden Budget-, Controlling- und Führungsinstrumenten schüttelte er gestern sogar öffentlich den Kopf: Eine Woche habe man die Personallisten gesucht, „schließlich gab's vier.“ Die Berger-Empfehlungen: Künftig müss-ten Schichtpläne dem Tagesablauf der Anstalt angepasst werden, funktionsfähige EDV müsse her, Beamte sollten nicht länger in halbleeren Trakten nur ein paar wenige Insassen beaufsichtigten, die nicht zur Arbeit gehen – und die Führungsebene brauche Management-Training.

Gute Noten erhielt nur das Personal – als „hoch motiviert“. Der Personalrat allerdings ist skeptisch, wie lange noch. Offenbar gehe es zurück zu alten Strukturen, in denen Beschäftigte weniger Verantwortung tragen – in zugleich größeren Vollzugseinheiten mit weniger Personal. ede

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