: Kohl beendet wilde Ehe
Der Exkanzler schafft Ordnung in der Türkei: Nach elf Jahren eher lockeren Zusammenlebens heiratet sein Sohn Peter seine türkische Lebensgefährtin Elif. Der Schwiegervater Kemal, ein Großindustrieller, gab Helmut den Segen für die Ehe
aus Istanbul DILEK ZAPTCIOGLU und JÜRGEN GOTTSCHLICH
Das Lächeln wirkte doch ziemlich verkniffen, wie er so dastand, mit einem großen Strauß roter Rosen in der Hand, um die Familie seiner zukünftigen Schwiegertochter zu begrüßen. Ganz wohl fühlte Helmut Kohl sich offensichtlich nicht, hier in Istanbul, mitten unter Muslimen, so weit weg vom christlich-abendländischen Kulturkreis. Lange Jahre hatte der Exkanzler diese Reise hinausgeschoben, obwohl Sohn Peter, der jüngere der beiden Kohl-Sprösslinge, nun schon 11 Jahre mit seiner Elif zusammen ist und mit ihr, wie man liest, in London längst in wilder Ehe Tisch und Bett teilt. Nun, wo Helmut die Bürde der Kanzlerschaft los ist, und er sich offiziell nicht mehr mit Tansu Ciller, Mesut Yilmaz oder Bülent Ecevit herumstreiten muss, holt ihn die deutsch-türkische Wirklichkeit privat wieder ein.
Offenbar konnte er dem Drängen seines Sohnes nun keine Ausreden mehr entgegensetzen und musste schlussendlich doch in den türkischen Paradiesapfel beißen. Möglichst heimlich sollte alles stattfinden, doch bei Geschichten wie diesen, Geschichten die das Leben schreibt, lässt die türkische Boulevardpresse sich durch keine Tricks abhängen.
Obwohl Altkanzler Kohl nicht, wie es offiziell hieß, im Kempinski, sondern im „Four Seasons“ – einem umgebauten früheren Knast in Sultan Ahmet – abstieg, waren die Kollegen von Hürriyet und Sabah schnell mit von der Partie. Auch der Wunsch „Keine Fotos – keine Fotos“ konnte nicht befolgt werden, obwohl der ältere der beiden Söhne, Walter Kohl, laut Hürriyet dieses Anliegen gar handgreiflich gegen einen Fotografen des Blattes durchzusetzen versuchte.
So wissen wir also Bescheid. Helmut Kohl hat, wie es Brauch ist, die Verlobungsringe übergeben, und Kemal Sözen hat zugestimmt, dass Helmuts Peter seine Elif im April ehelicht.
Danach kam der interessante Teil des Besuchs: Im Privathubschrauber von Ibrahim Bodur, einem Großindustriellen aus Canakkale, flogen Helmut und Kemal samt Anhang in die Stadt an den Dardanellen, um die Fabriken zu besichtigen, denen Vater Kemal als Generaldirektor vorsteht. Dort werden berühmte Kacheln produziert, aber der Konzern hat auch eine Maschinen- und Gießereisparte, die ihr Geld weniger zivil verdient. Zu ihr gehört eine Rocket Sanayi Fabrika, die Raketenabschussrampen herstellt.
Vater Kemal Sözen hat bei den letzten Wahlen versucht, einen Sitz im Parlament zu erringen, landete aber nur auf dem zweiten Platz in seinem Bezirk. Seine Partei, die DYP, über deren Vorsitzende Tansu Ciller Kohl gesagt haben soll, sie sei „nicht vertrauenswürdig“, stellte ihn dabei als den Mann vor, der in der Türkei die besten Kenntnisse über die europäische Rüstungsindustrie habe und eine Schlüsselfigur bei den türkischen Rüstungseinkäufen im Ausland sei.
Angebahnt wurde diese interessante Beziehung nicht im Kindergarten von Oggersheim, sondern das Paar lernte sich an der berühmten MIT-University im amerikanischen Boston kennen. Peter Kohl ist Broker in London, seine Zukünftige ist Absolventin des Robert College in Istanbul, wo sie internationale Beziehungen studierte. Man kann sich vorstellen, dass sie mit ihrem zukünftigen Schwiegervater einige Probleme hat, gilt dieser doch als der Mann, der jahrelang eine Annäherung der Türkei an die EU verhindert hat. Kein anderes Politikerstatement aus dem Ausland hat in der jüngeren Zeit in der Türkei so viel Staub aufgewirbelt wie das von Kohl 1997. Die EU, erklärte der damalige Kanzler, sei ein christlicher Club, in dem die Muslime nichts zu suchen haben.
Was in Ankara immer gemutmaßt worden war, hatte Kohl im Anschluss an ein europäisches Treffen christdemokratischer Parteivorsitzender offen ausgesprochen. Er provozierte damit eine erbitterte Auseinandersetzung mit dem damaligen türkischen Ministerpräsidenten Mesut Yilmaz, der Kohl schließlich vorwarf, die deutsche Regierung wolle mit ihrer Europapolitik nach wie vor „Lebensraum im Osten“ gewinnen. Am besten, so soll Kohl dem Vater der Braut anvertraut haben, habe er sich immer mit Kenan Evren verstanden.
Evren war der türkische Generalstabschef, der vor 20 Jahren, im September 1980, putschte und sich später zum Präsidenten wählen ließ. Evren hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass die Türkei einen EU-Beitritt ablehnen soll.
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