berliner szenen
: Wie sich Arbeit verändert

Modern Work

Die befreundete Denkmalpflegerin möchte jetzt kellnern. Der Ethnologe sucht eine neue Arbeit als Gartenbauer. Der Programmierer dealt, während der Chef eines Webdesign-Unternehmens im Zweitberuf eine Jazzkneipe betreibt. Es tut sich was auf dem Berliner Arbeitsmarkt. Man selbst denkt eher an Expansion in der Supermarktbranche. Auch meine Sparkassenfiliale scheint sich umzuorientieren. Sie hat ein Schild im Fenster hängen: „Wir vermieten Regalfächer“.

Mehr vom Arbeitsmarkt der Zukunft erfahrt man aus Existenzgründerzirkeln. Die Gründermesse Berlin meldet etwa, der „neue Wunschberuf“ sei „Versicherungsmakler“. Das Interesse an diesem Gewerbe habe auf der letzten Messe selbst den „Arbeitskreis unabhängiger Versicherungsmakler“ „überrascht“. In einem Internet-Gründerforum fand sich dieser Hilfeschrei: „Bei meinem Projekt handelt es sich um Goldförderung in Venezuela. Wir, ein 2er-Team (ein Einheimischer und ich) sind in dem Besitz einer Goldmiene. Die erste Goldprobe erfolgte über die Degussa in Berlin, dabei handelt es sich um pures Gold! Was uns zurzeit fehlt, ist ein Hubschrauber für den Transport von Kraftstoff für die Motoren und Essen für die Arbeiter. Die benötigte Investition beläuft sich auf 100.000 $US. Die voraussichtliche Förderung (laut Berliner Geologe) soll sich auf 3 bis 7 kg pro Woche belaufen. Bei Interesse bitte ich um Kontaktaufnahme. Anzumerken ist noch, dass es bei dieser Investition sich um Risikokapital handelt.“ Gerne würde man Geld rüberschicken.

Aber die Wirtschaftsredaktion des Deutschlandfunks rät zu Investitionen andernorts. Zum Beispiel in die japanische Papierindustrie. Die Aktien der Papierhersteller steigen, wie es heißt, weil so viele Gebrauchsanleitungen für Mobiltelefone gedruckt werden müssen. Japan ist sowieso ein sympathisches Land. Es gibt dort viele schöne Feiertage. Neulich wurden dort nacheinander der „Tag des Meeres“ und der „Tag des Sports“ begangen. An beiden Tagen stand die Börse still.

Ansonsten ist die Stimmung an den internationalen Finanzmarkten nach Einschätzung der Notenbanken „von Optimismus in Unbehagen umgeschlagen“, wie die Nachrichtenagentur AP mitteilt. Wenig Anlass zu Hoffnung gibt auch der designierte Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski. Er hat sich fur Einschnitte in das Sozialsystem und Niedriglohne in der Wirtschaft ausgesprochen. Wochenarbeitszeiten müssten auf 50 Stunden verlängerbar sein. Über den Unbekannten, der am Wochenende eine Spandauer Kneipe mit Samurai-Schwert überfiel, wundert man sich angesichts dieser Aussichten nicht.

Wahrscheinlich braucht man im modernen Kapitalismus einfach mehr Selbstbewusstsein. Im Sommer warb ein dicker Mann mit einem Foto von sich auf großflächigen Plakaten in der ganzen Stadt. „Millionen sagen ,Danke Dr. Rath‘“, stand über dem Foto. „Dr. Rath“ war er selber. Nur ein einziges Mal habe ich gesehen, dass jemand „Du Arschloch“ auf das Plakat geschrieben hat. KIRSTEN KÜPPERS