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Wissenschaft als Ideologie

betr.: „Biotechnologie als Erregungsvorlage“, taz.mag vom 9./10. 12. 00

Wenn man die zukunftsbezogene Naturwissenschaft aus der Perspektive des interessierten Laien betrachtet, zeichnet sich immer deutlicher die Tendenz ab, die von der Forschung angestoßenen Entwicklungen als alternativlos zu propagieren, als handle es sich um eine Art „höherer Gewalt“, wobei das „höher“ sich nicht auf Gott oder die Naturgesetze bezieht, sondern auf einen dem Willen der Menschen entzogenen, anonymen Fortschrittszwang. Wer sie ablehnt oder ihren Sinn bezüglich der angestrebten Ziele anzweifelt, fällt unter das Verdikt des Unwissens, der Rückständigkeit, des Verhaftetseins in überwundenen Ideologien und Religionen. Dabei ist nicht zu leugnen, dass jede dieser Entwicklungen sowohl positive als auch negative Folgen haben kann, deren Ausmaß und Wirkung alles bisher Dagewesene überschritten und die deshalb unvorhersehbar und möglicherweise unbeherrschbar sein werden.

Dass diese Möglichkeiten auch in den Enklaven der Naturwissenschaft bekannt sind, zeigt sich in der Bemühung ihrer Vertreter, ihrer jeweiligen Disziplin ein Mäntelchen positiver Nutzanwendungen umzuhängen, die negativen Möglichkeiten jedoch zu verschweigen oder als hinnehmbar kleinzureden.

Man muss nicht religiös oder ideologisch gebunden sein, um die schlichte Frage zu stellen: Wo nehmen diese Wissenschaftler angesichts der herrschenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse den Kinderglauben her, dass in Zukunft Negatives vermieden und Positives betrieben werde, wo doch die Vergangenheit jede Menge Beispiele anbietet, dass solches eben nicht geschieht. (Und woraus sollte man lernen, wenn nicht aus der Vergangenheit?) Muss man nicht annehmen, dass die Naturwissenschaft sich seit geraumer Zeit auf irrationalem Terrain bewegt, wie eben andere historisch gewordene und historisch überlebte Ideologien auch? (Große Denker von Goethe bis Ludwig Wittgenstein haben das gewusst und vergeblich gesagt.)

Wäre es nicht höchste Zeit, ihre Vertreter und Propagandisten abzuwählen oder wegen Wahnsinn unter Kuratel zu stellen? (Fragt sich nur, unter welche Instanz.)

RUTH REHMANN, Trostberg

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