: „Mit Gärten ist kein Staat zu machen“
■ Waller Parzellisten besprechen Strategien gegen die Bereinigung ihres Gartengebietes/ ,Runder Tisch' in Gründung
Sieben Wochen, nachdem der Senat die Bereinigung des Parzellengebietes am Waller Fleet beschlossen hat, und gut einen Monat, nachdem der Beirat Walle – mit Ausnahme der PDS – dem zugestimmt hat, haben sich jetzt rund achtzig Parzellisten über das weitere Vorgehen verständigt.
Anfang der Woche hatte der „Verein für Gartenwohnkultur“, der sich 1995 anlässlich des ersten Versuchs der Stadt, Ordnung ins teils bewohnte Gebiet zu bringen, gegründet hat, ins Landheim Walle eingeladen. „Wir müssen auf jeden Fall gemeinsam vorgehen und dürfen uns jetzt nicht auseinanderdividieren lassen“, forderten besorgt die zumeist jüngeren Mitglieder des Vereins und ernteten damit Applaus auch bei den älteren. Die sind größtenteils in Kleingartenvereinen und in der Interessengemeinschaft der Kleingärtner organisiert und dürfen jeweils Abgeordnete in den so genannten Sanierungsbeirat entsenden. Mit diesem ,Runden Tisch', an dem Beiratsmitglieder, Behörde und Vermittler Peter Kudella beteiligt sein werden und der im Januar seine Arbeit aufnimmt, hofft Bausenatorin Wischer (SPD) den Konflikt auf glimpfliche Weise lösen zu können.
Zur Versammlung war unter anderem Klaus Möhle, Grüne, eingeladen. Möhle, der seinerzeit nach einem ebenfalls mit Kudella ausgehandelten Kompromiss vom Kleingartengebiet Weidedamm an die Lesum umgesiedelt war, rief zum kollektiven Widerstand auf.
„Ihr könnt die Bereinigung vielleicht verhindern, wenn ihr zusammenhaltet.“ Und wenn die Bewohner des Gebietes dafür sorgten, dass es „nicht so verkommen“ aussieht. Am Weidedamm seien die Spekulanten durchs Gebiet gestreunt, als Teile der Verwahrlosung anheim gefallen waren. Als Hintergrund des Bereinigungsbeschlusses vermutet Möhle, dass das Gebiet über kurz oder lang zum Gewerbegebiet erklärt würde und ein bewohntes Gebiet viel schwerer zu räumen sei. Im Beirat Walle hatten sich die Grünen pikanterweise aus dem selben Grund für die Bereinigung ausgesprochen: Wenn das Gebiet weiterhin zum Teil illegal bewohnt werde, würde der Senat irgendwann kurzen Prozess machen und statt der Nutzung als Naherholungsgebiet einen Bebauungsplan festlegen.
Neben den längerfristigen Strategien suchten die Parzellisten an diesem Abend vor allem rechtlichen Rat. Einige sind mittlerweile vom Bauordnungsamt angeschrieben worden. Die Bausubstanz solle geprüft werden. „Muss ich die aufs Grundstück lassen?“ Einige berichten jedenfalls, sie hätten schon Bußgeldandrohungen, weil sie sich geweigert haben, die Mitarbeiter der Behörde zu empfangen.
„Ihr müsst in dem Sanierungsbeirat fordern, dass das Bauamt jede Prüfung unterlässt, solange der Runde Tisch verhandelt“, riet Möhle. Außerdem will sich der Verein für Gartenwohnkultur um einen Rechthilfefonds und eine Liste kundiger Anwälte kümmern, die den Parzellisten im Zweifelsfall zur Seite stehen. Der Verein will auch prüfen, ob das ganze Gebiet oder einzelne Wege unter Denkmalschutz gestellt werden können. Eine Umbenennung in „Wilhelm-Kaisen-Gedenkverein“ ist ebenfalls im Gespräch, Kontakte zur Tochter des ehemaligen Bremer Bürgermeisters gebe es bereits.
Den Vorschlag des PDS–Beiratsmitglieds Herbert Thomsen, einen Musterprozess zu führen, kassierte Klaus Möhle gleich wieder ein: „Das ist gefährlich, weil ihr den auch verlieren könnt. Hier gibt es so viele Bewohner, bei denen die Rechtslage unklar ist, da können zwei-, dreihundert klagen.“
Nur einer im Saal hatte Verständnis fürs senatorische Vorgehen: Nirgends seien die Kleingärten so nah an der Stadt wie hier und Bremen brauche schließlich die Flächen, um Arbeitsplätze anzusiedeln. „Mit euren Gärten ist jedenfalls kein Staat zu machen.“ hey
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