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Mund zu

Etwas später als abgemacht, eigentlich gar nicht meine Art, drücke ich auf ihren Klingelknopf. Der Pulli kratzt, der Schal nimmt mir die Luft, ich bin viel zu warm angezogen. Mir ist elend zumute. Aber gleich gibts Entenbrust. Ein letzter Zug aus der aufgeweichten, selbstgedrehten Kippe macht mich schwindelig. Der Summer blökt. Ich werfe mich mit der rechten Schulter gegen die Haustür, mit der Linken reiße ich mir die Mütze vom Kopf und tüdel den Schal ab. Im Treppenhaus riecht es nach scharfem Reiniger. Meine Haare sind elektrisch aufgeladen und stehen zu Berge.

Sie öffnet die Tür. In seidenem Rock und perfekt gebügelter Spitzenbluse. „Wie siehst du denn wieder aus“, sagt sie und spricht aus, was ich denke. Schnell beuge ich mich vor und gebe zur angedeuteten Umarmung einen flüchtigen Kuss auf ihre gepuderte Wange. „Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr“ sagt sie, und verzieht pikiert den Mund. Statt auf diese Standardeinleitung zu antworten, gähne ich. Plötzlich bin ich hundemüde. Aber „die Ente muss noch 'n büschen“, und deshalb nehme ich mit einem verstohlenen Blick auf die Standuhr im Sessel Platz. „Immer bist du müde, wenn du kommst“, sagt sie.

In der Hoffung, etwas Interessantes zu entdecken, gucke ich zum Tannenbaum rüber. Das Einzige, was sich in diesem Zimmer in den letzten zwölf Monaten geändert hat. Der Weihnachtsschmuck ist der gleiche wie vor 20 Jahren: Kitschige Kugeln, Engelshaar und Gartmannkringel. Auf dem Perserteppich ein paar Edeltannen-Nadeln. „Was macht die Uni?“, oder hat sie Wohnung gesagt? Ich muss wieder gähnen. „Guten Appetit“, sage ich, glaub' ich.

Nach dem Essen, beim Fernsehen, stütze ich den Ellenbogen auf die Sessellehne mit dem Schon-Deckchen. Ich muss den schweren Kopf halten. Schiebe beim Gähnen die Hand halbherzig vor den Mund. „Mach doch endlich den Mund zu“, rügt sie. Ich wünschte, sie würde das endlich auch tun. Gundel Gähne-Gerne

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