weihnachtskeller, erste lieferung: zum fest zelebrieren die sender den abschied von der serie und zeigen, wozu die neuen familienbande gut sind
Seliger Samstag
Lang vergangen, weil nämlich abgelaufen ist die Zeit der inzwischen sogar im Sachbuch gewürdigten klassischen Adventsmehrteiler („Seewolf & Co.“, Berlin 1999), und nur wir Älteren erinnern uns noch an sie. Heuer ist bis zum Beginn von „Big Brother – Die Entscheidung“ (20.15 Uhr, RTL) doch dem Gedächtnis schon wieder entschlüpft, wer eine Woche zuvor nominiert wurde. Umso weniger würde das geneigte Publikum über einen Zeitraum von sieben Tagen hinweg die fein verästelten Gespinste einer ausufernden Literaturadaption memorieren. Daher hat man es aufgegeben, Mehrteiler in wöchentlichem Abstand zu verabfolgen. Anstelle dessen wird gebündelt, gereiht und verkettet, wie sich gerade über Weihnachten gut beobachten lässt.
Der WDR beispielsweise befasst sich in seinem dritten Programm bis in die späte Nacht aus Anlass ihres 75. Geburtstages mit der Person und dem Schaffen Hildegard Knefs, beginnend mit „Jeder stirbt für sich allein“ (20.15 Uhr) und endend mit „Ich glaub, ’ne Dame werd ich nie“ (23.45 Uhr).
Von seinen Anfängen als Fernsehreporter bis zu seinen Regiearbeiten für den „Tatort“ (20.15 Uhr, N 3) hat sich der ebenfalls zu den 75-Jährigen aufschließende Jürgen Roland um den NDR verdient gemacht, weshalb eine Würdigung im Nord-Dritten mehr als angemessen erscheint. In Rolands Kinofilm „Die Engel von St. Pauli“ (21.45 Uhr) gibt Horst Frank den Ton an, und ihm ist auch ein anschließendes Porträt gewidmet, ehe er in „Das Amulett des Todes“ (23.40 Uhr) abermals als Tunichtgut auftritt. Eine weniger bekannte Seite des notorischen Filmbösewichts zeigt eine Fernsehinszenierung von „Blick zurück im Zorn“ (0.55 Uhr) aus dem Jahr 1958.
Kabel 1 sekundiert, indem gleich drei der seinerzeit seriell aufgelegten „Jerry Cotton“-Verfilmungen (ab 0.20 Uhr) en suite gespielt werden. Auch hier war ein Horst Frank unverzichtbar, ferner lungern Horst Tappert, Heinz Weiss und andere in einem imaginären New York herum, das sie allerdings nur als Rückprojektionen in deutschen Ateliers zu sehen bekamen.
Bereits am früheren Abend wartet der Kanal mit ebenso gutbürgerlicher Filmkost auf – in „Rat mal, wer zum Essen kommt“ (20.15 Uhr) erfahren Katherine Hepburn und Spencer Tracy, dass sich ihre stürmische Tochter in Sidney Poitier verliebt hat und diesen umgehend zu heiraten gedenkt. Da sich der schwarze Mann zivilisiert benimmt und nicht schmutzt, steht der Verbindung weiter nichts entgegen.
Heiliger Abend
Bei entsprechendem Gusto vermag man den neuen Tag gleich wieder bei Nord 3 mit deutscher Filmgeschichte beginnen. Marianne Kochs Partner in der 50er-Jahre-Komödie „Wenn wir alle Engel wären“ (11.00 Uhr) ist Dieter Borsche, nach Meinung seines Porträtisten Arne Wasmuth natürlich ein echter „Liebhaber & Gentleman“ (12.35 Uhr).
Wenig später beschließt bei RTL „Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten“ (14.25 Uhr) die am Vortag mit „Der Schut“ und „Old Shatterhand“ begonnene Karl-May-Reihe. Einen klassischen Fortsetzungsfilm mit ordnungsgemäßem Spannungsumbruch offeriert ProSieben mit dem Dreiteiler „Die siebente Papyrusrolle“ (13.30 Uhr). Und nur zwei Teile benötigt auf 3sat Patrick Stewart, um seinen Zwist mit „Moby Dick“ (16.00 Uhr) auszufechten. In einer beigeordneten Dokumentation wird hernach „Der Fall Moby Dick“ (17.25 Uhr) noch einmal aufgespießt.
Bereits in die zweite Runde geht im WDR-Fernsehen die siebenteilige Kinderserie „Abeltje, der fliegende Liftboy“ (12.30 Uhr). Testfluggebiet des verwunschenen Fahrstuhls ist der Himmel über New York.
Mit Näherrücken der Bescherung greift Vox zu hinterlistigen Methoden, das Kindsvolk vom konspirativen Treiben seiner Eltern abzulenken: man legt einen Köter aus. „Weihnachten mit Willy Wuff“ (16.55 Uhr) wurde 1994 von RTL produziert und erzählt von einem brummigen Stromer und seinen fürsorglichen Maßnahmen an verwaisten Welpen, einem vernachlässigten Siebenjährigen und anderen Weihnachtsopfern. Weil der Film seinerzeit ungemein erfolgreich war, war „Weihnachten mit Willy Wuff 2 – Eine Mama für Lieschen“ (18.35 Uhr) nicht zu vermeiden. Der Hauptdarsteller der Filme wurde mittlerweile eingeschläfert, was aber nicht schlimm ist, wie RTL 2 belegt: „Charlie – Alle Hunde kommen in den Himmel“ heißt es dort um 18.10 Uhr. Charlie ist eigentlich ein krummer Hund mit langem Sündenregister. Deswegen bleibt ihm der Zugang zum Vierpföterhimmel zunächst verwehrt – er muss zurück ins elende Hundeleben und eine gute Tat verrichten. Gesprochen wird der fidele Schwanzwedler übrigens von Harald Juhnke, der um 20.15 Uhr in der ARD („Letzte Chance für Harry“) dann doch noch in persona auftritt. Aber wenn schon Harry, dann lieber „Lindenstraße“ (ARD, 18.30 Uhr) – dort erscheint uns Harry Rowohlt in rotweißer Tracht und verteilt Geschenke.
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