Durchmarsch des Stiftungsmodells

Museum für Kunst und Gewerbe: Bilanz und große Pläne für 2001 und 2002  ■ Von Hajo Schiff

Mit einem Kerykaion aus Metapont in der Hand, einem etwa 2400 Jahre alten Heroldstab aus dem griechischen Süditalien, zog Wilhelm Hornbostel sein 2000er Resümee: „Dieses Jahr waren wir auf Rosen gebettet“. Der Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe präsentierte vor einem kleinen Kreis von Journalisten Mitte Dezember nur Positives. Mit 270 Tausend Besuchern hatte das Museum etwa 40 Tausend mehr als 1999. Der etwa 18 Millionen Mark teure Anbau mit einem Zuwachs von 4500 Quadratmetern wurde ganz aus privaten Stiftungen finanziert, zusätzlich für 3,5 Mio. Teile des Altbaus saniert und Rundwege geöffnet. 860 neue Objekte konnten gekauft werden, mehrere große Schenkungen und Testamente ergänzten den Bestand, es wurden sieben neue Stellen eingerichtet, ein neues Volontariat, ein kaufmännischer Ausbildungsplatz und weitere Praktikumplätze.

In der Tat haben der Neubau und die Auffrischung des Altbaus dem zwar höchst beliebten, partiell doch etwas verschmockten Schatzkasten sehr gut getan. Und trotz der Bauerei gab es weiterhin Sonderausstellungen: Die mit 111.000 Besuchern auch bei jungen Interessierten erfolgreichste war die mit Vergleichen zum heutigen Spitzensport aktualisierte Antikenschau Gladiatoren und Caesaren; an zweiter Stelle der Publikumsgunst standen die Fotos von Herb Ritts.

Abgesehen vom Neubau-Budget wurden etwa 15 Mio Mark bewegt. Nur noch sechs davon kommen von der Kulturbehörde, viel Geld von privat und ein wenig von den Banken, da das Haus sich dieses Jahr aufgrund der vielen Investitionen vertretbar verschuldet hat. Das geht überhaupt nur, da die sieben ehemals staatlichen Hamburger Museen seit zwei Jahren als Stiftungen öffentlichen Rechts verselbständigt sind. Dieses Hamburger Modell scheint nicht nur entgegen manchen Unkenrufen viel Elan freizusetzen, es scheint geradezu vorbildlich zu werden. Jedenfalls weckt es reges Interesse anderer Kommunen: In letzter Zeit ließen sich Delegationen aus Köln, Leipzig und Württemberg vor Ort informieren. „Ich bin sicher, dass in zehn Jahren ein Großteil der Museen nach dem Hamburger Modell funktioniert“, sagt Helmut Sander, der neue, nach dem Stiftungsmodell für die Doppeldirektion gewonnene kaufmännische Geschäftsführer des Hauses. Geradezu begeistert gibt sich der frühere Controller und unterstützt auch seitens der trockenen Organisation die vom Haus und seinem künstlerischen Direktor gepflegte stets positive Stimmung.

Zwar geht es dem Universalmuseum mit seinen Schätzen von Antike bis Memphis-Design, von Buddha bis Modeplakat wohl am besten von allen Hamburger Museen. Doch die positive Bewertung des Stiftungsmodells wird auch von den anderen Museen weitgehend geteilt. Allerdings fällt es nicht allen Häusern so leicht, private Finanziers zu finden. Nicht alle nötigen Aufgaben, wie die mancherorts überfällige Sanierung der Archive, sind für Stifter und Sponsoren gleich attraktiv.

Im Museum für Kunst und Gewerbe soll die Verjüngung und Kommerzialisierung weiter voranschreiten: Die regelmäßigen Veranstaltungen werden erweitert, zum Beispiel um das „Pianoon“, einen Musikspaß an jedem ersten Sonntag im Monat. Dort dürfen unter anderem unentdeckte junge Genies am Designer-Flügel konzertieren. Bis zum 125jährigen Jubiläum in 2002 soll nun für etwa neun Mio Mark der Eingangsbereich erweitert und völlig neu gestaltet werden, und der Museumsshop vergrößert sich in die Räume, in denen bisher die Verwaltung sitzt.

Für das kommende Jahr ist eine der bisher größten Ausstellungen überhaupt geplant. Mit 500 Exponaten aus zehn russischen Museen wird umfassend die russische Avantgarde von 1910 bis 1934 dargestellt. Unter dem Titel Mit voller Kraft werden dabei in Deutschland bisher noch nicht gezeigte Exponate aus allen Bereichen künstlerischer Anwendungen im Zusammenhang präsentiert: Malerei und Mode, Plastik und Plakate, Foto und Keramik. Die von großen Gasfirmen geförderte, 2,8 Mio Mark teure Ausstellung wird nur in Hamburg gezeigt, vom 23. Februar bis zum 10. Juni. Noch etwas ist vorzumerken: Auch in Hamburg wird 2001 ein Berliner Erfolgsrezept nachgekocht und eine „Lange Nacht der Museen“ eingeführt. Das erste Mal am Samstag, dem 19. Mai. Und sollten dann immer noch nicht unglaubliche Massen strömen, dann aber bestimmt bei der für 2002 geplanten Hauptausstellung. Sie ruft die Voyeure aller Art mit dem Titel: Nackt - Die Ästhetik der Blöße.