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Europäische Wirtschaft ist stark genug

Studie: Wenn die US-Wirtschaft in die Rezession abrutschen sollte, wird es größere Verlierer geben als Europa

BERLIN taz ■ Der Warenhauskonzern Bradlees Inc. ist das jüngste Beispiel in einer ganzen Reihe von US-Unternehmen, die in den letzten Tagen und Wochen Gewinnwarnungen abgegeben, weit reichende Umstrukturierungen angekündigt oder Leute entlassen hatten. Ihn trifft es nur besonders hart: Einen Tag nach Weihnachten hat die Unternehmensleitung Konkursantrag gestellt, die rund 9.800 Beschäftigten werden ihre Stellen verlieren. Die Kunden hätten wegen der schlechteren wirtschaftlichen Lage einfach nicht mehr genug Geld ausgegeben, hieß es.

Der private Verbrauch bereitet den US-Ökonomen die größten Sorgen. Nachdem er lange Zeit die treibende Kraft für die Konjunktur gewesen war, geht er ausgerechnet in einer kritischen Phase zurück. Statt einer „sanften Landung“ der US-Wirtschaft nach dem Boom droht nun eine mächtig harte. Die Rede von der Rezession geht um.

Und was dann? Das fragen sich nicht nur die Amerikaner. Schließlich haben auch andere Länder in den vergangenen Jahren von den ausgezeichneten Wachstumszahlen und der damit einhergehenden Import- und Investitionsbereitschaft der größten Volkswirtschaft der Welt profitiert. Immerhin haben die USA einen Anteil von 30 Prozent am weltweiten Brottoinlandsprodukt (BIP) – zum Vergleich: Euroland kommt auf 22, Japan auf 13 Prozent. Kein Wunder, dass die Rede von einer allgemeinen Rezession ist.

Die Konjunkturexperten der HypoVereinsbank haben jetzt eine Studie veröffentlicht, in der sie die Auswirkungen verschiedener US-Szenarien durchrechnen. Sie kommen dabei zu einem Ergebnis, das für – das stark exportorientierte – Europa überraschend freundlich ist: In Euroland würde das Bruttoinlandsprodukt bei einer Rezession in den USA um 0,2 Prozentpunkte zurückfallen, in Mittelosteuropa sogar nur um 0,1. Härter treffen dürfte es dagegen die Länder der Nordamerikanischen Freihandelszone (Nafta), Kanada, USA und Mexiko, die sich auf einen Rückgang von gut einem Prozentpunkt einstellen müssten, sowie Lateinamerika und Asien.

Untersucht haben die Konjunkturexperten dabei sowohl die realwirtschaftlichen Effekte als auch die auf den Finanzmärkten. Bei ersteren konzentrieren sie sich vor allem auf die nachlassende Auslandsnachfrage der US-Wirtschaft. „Hiervon wären insbesondere Kanada und Mexiko betroffen, die mehr als 85 Prozent ihrer Waren und Leistungen in den USA absetzen“, schreiben sie. Für Lateinamerika beträgt dieser Anteil an den Gesamtexporten immerhin 52 Prozent, für Asien 25 Prozent. Dagegen sind die europäischen Länder mit 3,5 bis 7,5 Prozent relativ gut abgeschirmt.

Vor Bremswirkungen gefeit seien sie deswegen aber noch lange nicht, warnen die Autoren. Schließlich müssten Multiplikatoreffekte oder die eigene Stabilität oder Instabilität mitberechnet werden. Das gelte insbesondere für Schwellenländer wie in Asien, die ihre Umstrukturierungen im Unternehmens- oder Bankensektor noch nicht vollzogen haben. Von diesen gehe denn auch die größte Gefahr eines Dominoeffektes aus.

Die Auswirkungen auf die Finanzmärkte schätzen sie nur für die USA selbst und – mit Abstrichen – für Großbritannien und Kanada als relevant ein. Nur hier hat der private Aktienbesitz eine so große Bedeutung, dass Kursrückgänge merklich auf den Verbrauch durchschlagen: Wenn die Werte in den USA um 10 Prozent fallen, kostet dies ein halbes Prozent Wachstum, in Großbritannien und Kanada sind es jeweils etwa ein viertel Prozent. In Deutschland würde das BIP lediglich um knapp 0,06 Prozent sinken. Abgesehen von den Risiken der Schwellenländer stünde „eine Rezession in den USA daher einem Jahrzehnt, in dem Europa eine wirtschaftliche Vorreiterrolle übernehmen könnte, nicht entgegen“, fassen die Autoren zusammen.

Aber so richtig glauben sie ohnehin nicht, dass es so weit kommt. Das Risiko einer „harten Landung“ samt Rezession liege bei rund 30 Prozent, eine „sanfte“ sei ungefähr doppelt so wahrscheinlich. BEATE WILLMS

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