: Filz unterm Sparschäler
■ Zweieinhalb Jahre lang spürte der PUA Filz einem Phänomen nach. Er fand es nicht, weil er es nicht durfte
In dieser Stadt, erklärte Günter Frank am 29. November in der Bürgerschaft, gebe es keinen sozialdemokratischen Filz und die Erde sei eine Scheibe. Zweieinhalb Jahre lang hatte der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) Filz unter dem Vorsitz des SPD-Abgeordneten in 60 öffentlichen Sitzungen etwas gesucht, was er nicht finden durfte und deshalb nicht konnte. Auf 1923 Seiten wies sein Mitte November vorgelegter Abschlussbericht zwar „Fehlverhalten einzelner handelnder Personen“ nach.
Zufälligerweise waren das jene, die für die SPD entbehrlich sind: Ein paar Sozis der zweiten Garnitur und dazu Helgrit Fischer-Menzel, die den Auslöser für die Untersuchungen gegeben hatte. Am 1. März 1998 hatte die damalige Senatorin der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) zurücktreten müssen, nachdem die taz hamburg ihre Ehegatten-Affäre aufgedeckt hatte. Sie war ohnehin nicht zu retten gewesen.
Auf Filz als strukturelles Muster in der Hamburger Verwaltung, speziell in der BAGS, aber wies rein gar nichts hin; etwaige Flecken auf der weißen Weste von Bürgermeister Ortwin Runde, ehedem Fischer-Menzels Vorgänger, waren auch nicht zu finden. So befand der PUA mit rot-grüner Mehrheit, denn die GAL hatte sich nach anfänglicher Widerborstigkeit der Koalitionsräson gebeugt, welche die SPD einforderte. Filz sei doch nur ein Wort, meinten die Grünen, mit „juristisch belanglosen Begrifflichkeiten“ müsse man sich nicht aufhalten.
Die Opposition sah das selbstredend anders. CDU und Regenbogen löcherten zwar Zeugen mit Verve, allzuoft aber mit dem Vorsatz, etwas Belastendes zu finden oder ersatzweise zu konstruieren. Runde sei „der Pate des Filzes“, behauptete denn auch CDU-Fraktionschef Ole von Beust, was er nicht belegen konnte. Als Kontrollorgan versagte das Gremium, weil alle Fraktionen ihr parteipolitisches Erkenntnisinteresse pflegten. Das „schärfste Schwert des Parlamentarismus“ machten sie gemeinsam zum Sparschäler. smv
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