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Schneerausch in Lappland

Unser Reisetipp: Winter im Norden. Lappland ist etwas für stabile Seelen und erprobte Langläufer

von VOLKER WEIDERMANN

Es ist sehr still in Lappland im Winter. Und es leuchtet in einem dunklen Weiß. Doch, das gibt es: dunkles Weiß. Das ist so ein kalter Schneeglanz in der Nacht. Und es ist fast immer Nacht, im Winter in Lappland. Nur nicht zwischen halb elf und halb zwei. Dann ist Tag. Aber auch der Tag ist nicht wirklich taghell. Es liegt dann meist so ein schweres Grau über dem Land, über den Kiefern und den Fjälls und den zugefrorenen Seen. Die Nacht ist klarer. Alle Dinge sind so nah und klar und frostscharf umrissen.

Eigentlich eine merkwürdige Idee, zum Skifahren nach Lappland zu fahren, ins kleine Lappendorf Äkäslompolo, 150 Kilometer nördlich des Polarkreises, wo es schon im November unter minus 20 Grad kalt wird, wo der höchste Berg nur 718 Meter hoch ist und die Sonne selten scheint. Wo man vom anderthalb Flugstunden von Helsinki entfernten Flughafen Kittilä noch eine weitere knappe Autostunde bis zum Ziel fahren muss. Eine einsame, verschneite, endlos lange Straße entlang, ohne auch nur einem einzigen anderen Fahrzeug zu begegnen. Und wo nur vereinzelte Briefkästen am Straßenrand darauf hindeuten, dass irgendwo dort, im Wald links und rechts der Straße, anscheinend Menschen wohnen, die man nicht sieht. Nichts sieht man. Nur eine dunkelgraue Weite und Leere.

Lappland im Winter ist etwas für stabile Seelen. Für Einsamkeitssucher, Bücherleser, Nachdenker, Wochenaussteiger, Klarluftbegeisterte, Weitblickfreunde, ja und für Skifahrer natürlich auch. Gut, nur zum Alpinskifahren wird man vielleicht nicht gerade den ganzen weiten Weg auf sich nehmen. Es gibt zwar immerhin 18 Lifte im Ylläs-Skigebiet – zwei schwarze Pisten sind dabei, einige Abfahrten sind bis zu drei Kilometer lang, durchgehendes Flutlicht ermöglicht lange Pistentage – aber der Berg ist eben doch nur gut 700 Meter hoch, und das könnte schnell langweilig werden.

Dafür wird es dem Langläufer garantiert nicht langweilig. Das Loipennetz ist sensationell. 280 Kilometer Loipen gehören allein zum Ylläs-Loipengebiet. Das ist aber wiederum mit verschiedenen benachbarten Loipennetzen verbunden, sodass sich insgesamt ein Streckensystem von mehr als tausend Kilometer ergibt. Die sind zwar nicht alle beleuchtet, sodass man zumindest von November bis Januar etwas beschränktere Ausflugsmöglichkeiten hat. Langlauf in diesem fast grenzenlos erscheinenden Loipengebiet ist ein scheinbar endloses Dahingleiten, ein Davonfahren ins große Helle, ins Schweigen hinein, ein mitunter müheloses Fortkommen in ein Weiß und Weiß und Weiß. Ein Schneerausch. Ein Zwang zum Weiter-, Weitergleiten ohne Ziel.

Na ja. Ganz so einsam ist es natürlich nicht überall im Ylläs-Loipenparadies. Und wenn zum Beipiel eine deutsche Touristengruppe, die mit der finnischen Skivariante, die wegen der hier immer trockenen Schneequalität komplett ohne Fischgrätenriffelung auskommt und somit höllisch glatt ist, gar nicht klarkommt, wenn diese Horde also die Loipe betritt und alle stürzen, sich heillos verknäulen, die fein gespurte Loipe zerstören und blockieren, dann lachen die vorbeirauschenden Finnen, nehmen einen flotten Umweg durch den Wald und grüßen höflich. Es herrscht auch noch bei minus zwanzig Grad und Schneegestöber fast eine mediterrane Ausgelassenheit im Loipengebiet. Zumindest unter den flotten Langlaufprofis.

Es gibt wohl kaum einen ähnlich leicht zu erreichenden Ort, in dem man so ganz und gar aus der Welt, wie man sie kennt, heraustreten kann. Hinein in eine Welt mit merkwürdigen Dingen: mit Rentieren, die regelmäßig störrisch und gleichmütig die Straße blockieren, mit dem Rentierfarmer Hannun Ajokhaat, der in seinem Rentierpelz am Lagerfeuer sitzt, in einem kiloschweren Pelz, innen und außen gefüttert, und man darf mal so reinfühlen und dann malt er stolz ein „minus 50 Grad“ in den Schnee, um zu zeigen, wie lange man es darin aushalten kann. Am Ende überreicht er ein Stück fein duftendes Holz, auf dessen Rückseite Name und Telefonnummer eingebrannt sind. Seine Visitenkarte: Falls man mal ein frisches Rentierchen importieren möchte. Rentierfilet ist übrigens köstlich, sehr teuer und für den Export nicht wirklich geeignet. Denn es gibt so wenig: Von den etwa 300.000 Rentieren, die in ganz Lappland leben, werden jedes Jahr nur die vier- bis fünfjährigen zum Schlachten freigegeben.

Vom Filetiertwerden ausgenommen sind auch die Rentiere, die zu Schlittenziehern ausgebildet werden. Und die ziehen so einen Schlitten wohl an die zwanzig Jahre lang. Und manchmal fliegen sie. Das kann man sehen. In den langen Nächten, am klaren, dunklen Himmel. Dann leuchtet es so grün und weiß und blau. „Das Polarlicht“ nennen es die Experten. Hannun Ajokhaat weiß es besser. Und der wahre Winterlapplandfahrer auch.

Die Reise wurde organisiert von Fintouring. Eine Woche im Hotel Ylläs Humina in Äkäslompolo kostet inklusive Anreise per Flugzeug mindestens 1.742 DM. Ferienhäuser für eine Woche gibt es ab 2.568 DM, ebenfalls inkl. Flug. Infos unter Tel.: 0 51 35-92 90 30 oder www.fintouring.de

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