Es lebe die Infografik!
: Mit dem Pierwoß-Index schneller zum Erfolg

■ Das Feuilleton muss sich im neuen Jahrtausend sehr verändern. Der Grund: Es kann einfach nicht so weitergehen wie bisher

Viele Worte kann man im Feuilleton verlieren. Man kann's aber auch sein lassen. Wozu viel schwatzen, wo man doch sowieso nur das Wesentliche wissen muss. War das Theaterstück schlecht? War das Konzert gut? Lohnt sich das Buch? Muss man den Film gesehen haben? Nur diese Infos braucht man. Mehr nicht.

Doch im Feuilleton, diesem letzten Biotop graugesichtiger MelancholikerInnen und Trauerklöße, ist von dieser Art der Nutzerfreundlichkeit noch nichts zu sehen. Noch immer regiert hier der studierte Geisteswissenschaftler, der durch dicke Brillengläser auf das Chaos um ihn herum schaut und zermürbend lange Adorno-Schulaufsätze darüber schreibt, dass um ihn herum nichts als Chaos ist.

Das turnt ab! Das interessiert kein Schwein! Das bringt uns weder Fun noch weiter! Deshalb ist damit jetzt Schluss!! Öde Dialoge wie: „Die jüngste Macbeth-Inszenierung im Theater am Goetheplatz überzeugte durch das intensive und sensitive Spiel der Darsteller, die vor allem im zweiten Akt ...“ gehören der Vergangenheit an. Stattdessen heißt es künftig kurz und knapp: „Macbeth? Einfach

, schreibt die taz!“. Und statt eines nichtssagenden Inszenierungsfotos finden Sie auf der Kulturseite eine zwischen x-Achse und y-Achse pendelnde, zackig-dynamische Kurve, die ihnen die Raumtemperatur, den Altersdurchschnitt der BesucherInnen und die Anzahl der Huster pro Aufführung erläutert.

Das gefällt Ihnen? Uns auch! Weshalb wir gleich dazu übergangen sind, auch komplexere Themen wie etwa Bremens Kulturpolitik in eine flinke Infografik zu gießen. Der ewige Streit um den Kulturetat, endlose Debattierrunden, seitenlange Strategiepapiere, undurchschaubare Ränkespiele – da blickt doch keiner mehr durch. Zwei flotte Kurven aber, ausgerichtet am profilneurotischen Pierwoß- und Schulte-Index – und schon sieht man klar!

Was 1994 bei harmlosen 13,7 Dings begann, wallt sich schon 1998 – markanterweise parallel zum T-Online-Kurs – auf eruptive 1.812 Dings auf. Es kommt zum unvermeidlichen Crash (o o!), wovon der Pierwoß-Index sich erst im Jahr 2000 auf niedrigem Niveau leicht erholt, während der Schulte-Index im selben Jahr parallel zum Nemax50 fällt wie ein Eierkopf, kurz auftupft, um anschließend auch in der Langzeitprognose das Bodenlose zu suchen (Quelle: Datastream).

Kurzum: Infografiken sind toll. Zappen Sie also gleich morgen wieder rein, wenn es heißt: „Der Ball ist rund – der Werder-Index“ (Quelle: Datastream). taz