: Barak warnt vor einer Eskalation
Israels Regierungschef sieht angesichts der Gewalt den Frieden mit den Nachbarn bedroht. Nach dem Anschlag in Netanja werden die Sanktionen gegen die Palästinenser verschärft. US-Präsident Clinton unternimmt eine letzte Vermittlung
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Mit verschärften Sanktionen gegen die Palästinenser hat das israelische Militär gestern auf das Attentat in der Stadt Netanja am Vorabend reagiert. Nicht lebensnotwendige Warentransporte wurden eingestellt, und selbst Palästinenser, die im Besitz von Sondergenehmigungen sind, dürfen vorläufig nicht mehr durch israelisches Gebiet reisen.
Ministerpräsident Ehud Barak äußerte im Anschluss an die gestrige Kabinettssitzung seine Sorge vor einer Eskalation. Ohne eine Einigung zwischen Israel und den Palästinensern entstehe eine Situation, die „Gefahr für eine regionale Konfrontation birgt“. Auch der Frieden mit Ägypten und Jordanien sei gefährdet, meinte Barak.
Er ordnete an, alle militärischen Maßnahmen zu ergreifen, „darunter auch Exekutionen“, um den Terror einzudämmen. Für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen stellte Barak die Bedingung an die Palästinenser, gegen die militanten Islamisten vorzugehen.
Am Montagabend war im Zentrum von Netanja eine Autobombe explodiert, die über 50 Menschen mehrheitlich leicht verletzte. Das israelische Militär äußerte den Verdacht, dass die palästinensische Führung in die Planung von Attentaten verwickelt sei. Informationen des israelischen Hörfunks zufolge soll Arafat sämtliche militanten Mitglieder von Hamas und Dschihad, die bislang noch inhaftiert waren, aus dem Gefängnis entlassen haben. In einem Telefonat mit dem US-Präsidenten äußerte sich Barak pessimistisch über den Ausgang des Treffens zwischen Arafat und Bill Clinton, das für gestern Abend angesetzt war. Der Palästinenserpräsident werde auch in Zukunft den Terror fördern, meinte er.
Auch auf palästinensischer Seite wurden die Erwartungen an den Gipfel gering eingeschätzt. Arafat werde, so die Vermutung, erst im Anschluss an ein Treffen der arabischen Liga in Kairo zu den amerikanischen Vorschlägen für ein Friedensabkommen Stellung nehmen. Vor seiner Abreise nach Washington erklärte Arafat, dass der amerikanische Vorschlag nicht „alleinige Basis von Verhandlungen“ sein könne. Kommunikationsminister Jassir Abed Rabbo kommentierte die amerikanischen Kompromissvorschläge als „nebulös“. Die Palästinenser halten an ihrer Forderung auf eine Rückgabe des gesamten Gebietes einschließlich Ostjerusalems fest. Hart ist Arafat vor allem in der Frage der Flüchtlinge, denen das Recht offengehalten werden soll, in ihre Heimat zurückzukehren. Erst nachdem Israel diese Bedingungen erfüllt habe, würden die Palästinenser einem Ende des Konflikts zustimmen.
Berichten eines israelischen Militärsprechers zufolge ist die Zahl der Zwischenfälle innerhalb der Palästinensergebiete rückläufig. Während in der ersten Novemberwochen 190 Konfliktpunkte gezählt wurden, waren es im Dezember nur 35. Dennoch steige die Zahl der Opfer, da sich der Charakter der Auseinandersetzungen verändert habe. Anstelle der Intifada mit Steine werfenden Jugendlichen komme es immer häufiger zu „Terrorübergriffen kleinerer Banden“. Auch gestern gab es vor allem im Gaza-Streifen eine Reihe von Zwischenfällen mit Verletzten auf beiden Seiten. An Israels Nordgrenze trug zudem ein Arbeiter leichte Schussverletzungen davon, nachdem von libanesischem Gebiet aus auf ihn geschossen worden war.
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