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Intershop bricht um zwei Drittel ein

Nach seiner Gewinnwarnung reißt der ostdeutsche Shootingstar den Neuen Markt ins Minus

BERLIN afp/rtr ■ „Es ist wie bei einem Goldrausch“, jubelte Stephan Schambach noch vor Monaten über die Möglichkeiten des Internet. Doch die Goldgräberstimmung ist dem Intershop-Gründer und Chef vergangen. Pünktlich zum ersten Börsentag des neuen Jahres musste er eine Gewinnwarnung herausgeben. Binnen Minuten stürzte daraufhin gestern der Aktienkurs um mehr als zwei Drittel.

Damit endete nach dem Debakel von EM.TV innerhalb kurzer Zeit am Neuen Markt erneut der Höhenflug eines Shootingstars, der eigentlich als unverwundbar galt. Entsprechend unerwartet kam die Ergebniswarnung für Börsianer. Der Umsatz im vierten Quartal 2000 werde deutlich niedriger ausfallen als bisher erwartet, teilte Intershop mit. Statt prognostizierter 40 bis 50 Millionen Euro wird nur noch mit 28 bis 30 Millionen Euro gerechnet, der Nettoverlust im vierten Quartal voraussichtlich 32 Millionen Euro betragen. Im Sog des Kursverfalls auf zwischenzeitlich 10,52 Euro gerieten auch andere Software-Titel unter Druck.

Die inzwischen in San Francisco ansässige Intershop war 1992 in Jena gegründet worden und galt bislang als eines der Aushängeschilder für den wirtschaftlichen Aufbau Ostdeutschlands. Der Erfurter Stephan Schambach schmiss 1990 im Alter von 19 Jahren sein Physikstudium, um mit NetConsult eine eigene Firma zu gründen. 1997 folgte ein genialer Marketingschachzug – die Umbenennung in „Intershop“ – nach den berühmt-berüchtigten Devisenläden der DDR. Der Name birgt ostdeutsche Identität und ist auch auf Englisch gut zu verkaufen. Intershop investierte und expandierte, der Umsatz stieg und stieg. Handelsfirmen vom britischen Edelkaufhaus Harrod’s bis zur französischen Kette Casino nutzen inzwischen Schambachs Software für ihren Internet-Handel. Schambachs einziger Makel: Er schrieb bisher noch keine einzige schwarze Zahl.

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