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Angriff der Silberjacken

Das Alsterradio wirft ab sofort 500.000 Mark aus dem Fenster und will dadurch Marktführer anstelle des Marktführers werden  ■ Von Peter Ahrens

Alsterradio – das ist Bild-Zeitung mit Musik. Für das Alsterradio ist es Politik, wenn Ortwin Runde auf dem Weihnachtsmarkt in eine Knackwurst beißt und ein Shanty-Chor dazu „Oh, du schöner Westerwald“ singt. So etwas muss diese Stadt unbedingt erfahren. Auch wenn ein Kampfhund einen kleinen Jungen zerreißt und der Innensenator eine Weltkriegsbombe entschärft, dann sind die Jungs und Mädchen in den silbernen Plastikjacken vor Ort, halten ihr blaues Mikro mit dem Radio-Logo in jedes Kamerabild, laufen schwer aufgeregt von hier nach da und fragen den Oppositionsführer nach seinem Vornamen. Ole? Mit einem e? Das Alsterradio hat Hamburg verdient, und jetzt macht es die Menschen auch noch reich.

Es fährt ein Geldtransporter durch die Gegend, darin sitzt eine Silberjacke, die auf den Namen Fifty-Fifty-Man hört. Ab und zu verlässt die Silberjacke den Transporter, fällt arglose PassantInnen an und drängt ihnen die Frage auf: Wie heißt die richtige Beschreibung des neuen Alsterradio-Hit-Mix? Dann heißt es Nerven bewahren und das Richtige antworten. Entweder: Lass mich bloß in Ruhe, aber dafür gibt es kein Geld. Oder: Der Fifty-Fifty-Mix. Classic Hits und die Superhits von heute. Wer das sagt, bekommt auf der Stelle 1000 Mark aufgenötigt. Als Belohnung, sich so etwas Schweres und obendrein Sinnfreies gemerkt zu haben.

Und der Sender hat auch etwas davon. „Damit greifen wir im Kampf um die Marktführerschaft neu an“, lehnt sich Geschäftsführer Ulrich Bunsmannganz weit aus dem Fenster. Denn Alsterradio hat einen großen Bruder. Der heißt Radio Hamburg und hat in Sachen Marktanteil mit geschätzten 22 Prozent gegenüber den 12 des Alsterradios noch locker die Nase im privaten Hamburger Radiomarkt vorn.

Das wollen die RadiomacherInnen am Rödingsmarkt ändern und haben deswegen auch ab sofort „die akustische Verpackung“ geändert, beziehungsweise eigentlich nur umbenannt. Aus den Classic Hits und den Superhits von heute werden, na? Genau, der Fifty-Fifty-Mix. Classic Hits und die Su-perhits von heute. Eine Revolution auf dem regionalen Rundfunkmarkt. Radio Hamburg wird sich warm anziehen müssen, denn „wir machen das anders als der Indianer, der nur am Fluss sitzt und wartet, bis die Leiche seines Feindes vorbeischwimmt“, sagt Bunsmann.

500.000 Mark will Alsterradio, das „großstädtische Boulevard-Radio“, bis zum kommenden Monat unters Volk bringen und gleichzeitig die „Hamburg-Kompetenz ausweiten“. Was nicht heißt, dass jetzt mehr über Landespolitik berichtet wird. „Gottseidank ist Hamburg eine Stadt, in der vieles passiert auf unterschiedlichen Ebenen, Kultur, Sport – das muss nicht unbedingt Politik sein“, sagt Bunsmann. Als-terradio-HörerInnen müssen auch künftig nicht fürchten, mit Themen wie Sozialhilfe-Kürzungen, Abschiebung oder Ausgleichsmaßnahmen belästigt zu werden. Lieber berichtet Promi-Peter über Babs und Boris, und Angie, Tina und die Morgenmänner betreiben Extrem-Job-Tausching. Das ist gut für die nächste Reichweitenuntersuchung.

Bunsmann und sein Kollege aus der Geschäftsführung, Albrecht Schmidt-Sondermann protzen vor den FotografInnen noch einmal mit dem gefüllten Geldkoffer. Dann nimmt der Fifty-Fifty-Man in seiner Silberjacke den Koffer an sich und steigt in den bereit gestellten Geldtransporter. Dann fährt der Wagen los. Um Hamburg glücklich zu machen.

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